Schwestern der Dunkelheit
Cremetube in Richtung Frisierkommode. »Thea, geht es dir gut?«, fragte sie ernst. »Denn du benimmst dich äußerst...«
»Fatalistisch?«
»Fatalistisch und alles in allem ziemlich beängstigend.«
»Mit mir ist alles in Ordnung. Ich bin nur ... Ich weiß nicht, was geschehen wird, aber ich bin irgendwie ... ruhig. Ich tue mein Bestes. Erik wird sein Bestes tun. Und davon abgesehen ist alles ungewiss.«
Blaise sah Thea mit ihren grauen Augen eindringlich lange ins Gesicht. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ich werde euch nicht ausliefern. Du weißt, dass ich dich niemals ausliefern würde. Wir sind Schwestern. Und was den Versuch betrifft, ihn zu töten ...« Sie zuckte mit grimmiger Miene die Achseln. »Es würde wahrscheinlich sowieso nicht funktionieren. Dieser Kerl ist unmöglich.«
»Danke, Blaise.« Thea berührte ihre Cousine leicht am Arm.
Blaise setzte sich neben Thea und legte ihre eigenen schlanken Finger mit den rot lackierten Nägeln auf Theas Hand, nur für einen Moment. Dann lehnte sie sich zurück und schüttelte mit einem kleinen Ruck ihre Kissen auf.
»Erzähl mir nur nichts, okay? Ich wasche, was euch beide betrifft, meine Hände in Unschuld, und ich will nicht wissen, was vor sich geht. Außerdem habe ich eigene Sorgen. Ich muss mich zwischen einem Maserati und einem Karmann Ghia entscheiden.«
Halloween.
Thea schaute aus dem Fenster auf die verdunkelte Welt. Hier waren natürlich keine Kinder, aber sie wusste, dass sie in der Stadt umherschwirrten. Kobolde und Geister, Hexen und Vampire - alle unecht. Echte Vampire saßen drinnen am Kamin oder feierten vielleicht kichernd exklusive Partys.
Und echte Hexen kleideten sich für ihre Samhain-Zirkel an.
Thea zog ein ärmelloses weißes Hemd über, das aus einem Stück geschneidert war. Sie legte sich einen weichen weißen Gürtel um die Taille und band ihn zu einem Isis-Knoten: Hexen benutzten diese Knoten seit viertausend Jahren.
Thea holte tief Luft und schaute wieder hinaus.
Genieße den Frieden, so lange du kannst, sagte sie sich. Heute Nacht wird viel los sein.
Eriks Jeep bog in die Auffahrt ein. Er hupte einmal.
Thea griff sich den Rucksack, den sie unter ihr Bett gestopft hatte. Er enthielt allerlei Zutaten: Eiche, Esche, Bitterholzspäne, Benediktenkraut, Alraunwurzel. Die gehärteten Reste aus der Bronzeschale, die sie mit einem von Blaises Kunstmessern sorgfältig abgekratzt hatte. Ein Siegel, ebenfalls mit Blaises Werkzeugen hergestellt. Und eine Unzenphiole mit drei kostbaren Tropfen des Beschwörungstranks, den sie aus der Malachitflasche gestohlen hatte.
Sie ging auf die Treppe zu.
»He, brichst du schon auf?«, fragte Blaise, die gerade aus dem Badezimmer kam. »Du hast noch - was? - anderthalb Stunden bis zum Zirkel.«
Blaise sah hinreißend aus und mehr wie sie selbst als zu jeder anderen Zeit des Jahres. Ihr Hemdkleid war schwarz, ebenso ärmellos, ebenso aus einem einzigen Stück gefertigt. Das Haar hing ihr lose bis zu den Hüften, und es waren kleine Glöckchen darin eingewebt. Ihre Arme hoben sich bleich und schön vor dem dunklen Hintergrund des Haares und des Hemdes ab, und sie war barfuß und trug an einer ihrer Fesseln ein Kettchen.
»Ich muss vor dem Zirkel noch etwas erledigen«, antwortete Thea. »Frag mich nicht, was.«
Blaise wusste natürlich nicht, was Thea und Erik vorhatten. Nicht einmal Dani wusste Bescheid. Und es war besser so.
»Thea ...« Blaise stand auf der obersten Treppenstufe und schaute hinab, während Thea aus dem Haus eilte. »Sei vorsichtig!«
Thea winkte ihrer Cousine zu.
Der Laderaum des Jeeps war voller Holz.
»Ich dachte, ich bringe besser etwas mehr mit, für den Fall, dass wir es brauchen«, sagte Erik, während er ihren Rucksack in den Wagen warf. Dann fügte er mit veränderter Stimme hinzu: »Du siehst - umwerfend aus.«
Sie lächelte ihn an. »Danke. Es ist ein traditionelles Gewand. Aber du siehst auch gut aus.«
Er trug das Kostüm eines französischen Soldaten aus dem 17. Jahrhundert in Ronchain - sie hatten versucht, den Holzschnitten in den alten Büchern möglichst nahezukommen.
Sie fuhren in die Wüste, vorbei an kahlen Felsen, weg von der Hauptstraße und weiter zu den Joshua-Bäumen, bis sie die Stelle wiederfanden. Sie war winzig, nur eine Senke im Boden, die beinahe zur Gänze von roten Sandsteinsäulen umschlossen wurde. Die Säulen sahen zwar nicht so aus wie die Menhire von Stonehenge - sie waren
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