Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwestern der Nacht

Schwestern der Nacht

Titel: Schwestern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masako Togawa
Vom Netzwerk:
spielten; nach und nach war er allerdings zu dem Schluß gekommen, daß es im wirklichen Leben keine derartigen Fälle für ihn gab.
    Darüber dachte er auf dem Weg zur Arbeit nach. Doch dieser Tag — hätte er es nur gewußt — sollte sein Leben von Grund auf verändern, denn die Anwaltskanzlei Hatanaka übernahm gerade in diesem Augenblick Ichiro Hondas Berufungsklage.
    Eine Woche später wurde Shinji zu Hatanaka gerufen. Sein Chef hatte es sich in dem bequemen Ledersessel hinter seinem Schreibtisch gemütlich gemacht und saugte an einer durchdringend riechenden Zigarre.
    »Setzen Sie sich«, sagte der Alte. »Ja ja, da ist's schon recht. Sie haben doch die Berichte über den Ichiro-Honda-Mordprozeß gelesen, richtig?«
    »Richtig«, erwiderte Shinji. »Ich habe sogar eine der Verhandlungen besucht, weil der Verteidiger Wada Senior an meinem Juracollege war.«
    »Tatsächlich? Gut, Wada wird uns auch bei der Berufungsklage zur Seite stehen. Ein gewissenhafter Bursche. Auf seine Art ganz in Ordnung, aber etwas unflexibel, finden Sie nicht? Er ist zu vorsichtig und hat außerdem zu wenig Fantasie. Nun, Sie brauchen hier kein Urteil über Ihren Kommilitonen abzugeben.«
    Der alte Mann verfiel eine Zeitlang in Schweigen; sein müder Blick folgte den Rauchschwaden der Zigarre. Dann ergriff er von neuem das Wort.
    »Was halten Sie von der Honda-Geschichte?«
    Shinji hatte Honda auf der Anklagebank genau studiert, wenn er auch meist nur sein Profil sehen konnte. Um die Wahrheit zu sagen, hatte er kein besonderes Interesse für diesen Mann gespürt, der die ganze Zeit mit gesenktem Blick dagesessen hatte, während sich der Staatsanwalt in einer endlosen Litanei darüber erging, daß er die Frauen nur erwürgt hatte, um seine abnormen sexuellen Triebe zu befriedigen.
    »Na ja, ich hatte den Eindruck, daß Honda im Grunde zwar ein schwacher Mensch ist, aber durchaus zu den ihm vorgeworfenen kaltblütigen Taten imstande wäre.«
    Er wählte seine Worte mit Bedacht. Der alte Rechtsdiener, dem dies keineswegs entging, mußte lächeln.
    »Ja, da möchte ich Ihnen recht geben, aber ich bin trotzdem nicht zufrieden. Irgendwie paßt die ganze Sache nicht zusammen; mein Bild des Angeklagten verträgt sich nicht mit Mord.« Er machte wieder eine Pause und fuhr dann fort: »Betrachten Sie die Angelegenheit mal von einer anderen Seite. Wir wissen, daß Honda ein Frauenheld war. Weshalb wurde er dann aber nur bei diesen drei Frauen zur Bestie? Wenn so viele Opfer seiner sexuellen Anziehungskraft erlagen, warum mußten ausgerechnet diese drei sterben? Hat er es bei anderen auch versucht, frage ich mich? Falls er wirklich so pervers ist, hatte er dann, nennen wir es einmal: unvollendete Affären? Gab es noch andere, die er erfolglos strangulieren wollte?«
    »Mit diesem Punkt hat sich die Polizei meiner Meinung nach nicht genug beschäftigt. Die waren nur auf eine schnelle Verurteilung aus; das ist wohl ihr Job. Aber ich stimme mit Ihnen überein, daß man die anderen Frauen seines Bekanntenkreises genauer unter die Lupe nehmen sollte. Ich schätze, sie werden sich aus leicht erklärlichen Gründen nicht freiwillig melden.«
    »Höchstwahrscheinlich. Ich habe daher einen kleinen Auftrag für Sie. Ich möchte, daß Sie Kontakt zu seinen anderen Freundinnen aufnehmen und sehen, ob sie etwas herauskriegen können.« Hatanaka formte einen Rauchring und sah Shinji fragend an.
    »Aber wie soll ich sie finden?«
    »Oh, nichts leichter als das, ich habe eine Liste. Hier ist sie. Wada hat sie von einer Detektei aufspüren lassen. Es ist selbstverständlich nur ein Bruchteil aller Frauen, mit denen er zu tun hatte, aber für den Anfang wird's wohl reichen. Finden Sie heraus, ob er jemals gewalttätig wurde oder sie irgendwie bedroht hat.«
    Er streckte ihm die Liste über den Schreibtisch entgegen, und Shinji studierte sie. Namen und knappe Lebensgeschichten, gefolgt von den Adressen der zugehörigen Wohnungen und Arbeitsplätze standen darauf.
    »Das sind anscheinend alle, an die Honda sich erinnern kann. Es gab noch einen Haufen mehr, aber die stehen alle in seinem >Jäger-Logbuch<, das spurlos verschwunden ist, wie er behauptet.«
    »Jäger-Logbuch?«
    Der alte Mann klärte ihn auf.
    »Glauben Sie wirklich an die Existenz dieses Tagebuchs?«
    »Tja, wenn es eins gab und wir es fänden, könnte es ein entscheidender Schlüssel zu dem Fall sein. Konzentrieren Sie sich im Augenblick aber auf die uns bekannten Frauen und halten Sie mich auf dem

Weitere Kostenlose Bücher