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Schwestern der Nacht

Schwestern der Nacht

Titel: Schwestern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masako Togawa
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Ichiro Honda. Darf ich Ihnen ein paar Fragen über ihn stellen?«
    Sie nickte und bemerkte dann, es handle sich hierbei um ein Thema, welches ohne Hast und Unterbrechung behandelt werden sollte. Mit diesen Worten führte sie ihn zu einem Tisch in diskreter Lage. Sie bestellten etwas zu trinken, dann kam Shinji gleich auf den Punkt.
    »Würden Sie — soweit es Ihre eigene Erfahrung betrifft — sagen, daß Ichiro Honda irgendwie abnormal ist?« Er sah sie forschend an und gab sich alle Mühe, so sachlich wie möglich zu wirken.
    »Sie wollen vermutlich wissen, ob er jemals versucht hat, mich zu erwürgen, stimmt's?« erwiderte sie geradeheraus. Shinji hatte den Eindruck, daß man Shoko Toda diese Frage schon früher gestellt hatte und sie darauf gefaßt gewesen war. Sie hatte ihren tieferen Sinn jedenfalls sogleich erfaßt.
    »Die Polizei war anscheinend schon bei Ihnen. Gehe ich recht in der Annahme, daß schon einmal Sie zu demselben Punkt befragt wurden?«
    »Befragt? Eher zum Reden gezwungen«, entgegnete die Frau zynisch. »Sie haben mich immer wieder gefragt: >Welche Art von Beziehung hatten Sie zu Ichiro Honda?< Also wirklich! >Welche Art von Beziehung<... eine ziemlich taktlose Frage, finden Sie nicht? Hatte ich eine Wut — ich hätte ihnen am liebsten ins Gesicht gespuckt. Die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, was sie im Bett miteinander tun, was geht denn das die Polizei an? Dann dämmerte mir, daß der Ausdruck >welche Art von Beziehung< nur eine ihrer Verhörfloskeln ist. Aber wie soll man eine solche Frage beantworten? Ich hab' ihnen gesagt, daß die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau nie so einfach zu beschreiben ist.«
    Sie machte eine Pause, nahm eine Zigarette aus ihrem Etui und brach sie vorsichtig in der Mitte durch, bevor sie sie in eine Zigarettenspitze aus Elfenbein steckte. Dann zündete sie sie an, blies eine Rauchwolke über Shinjis Schulter und sprach weiter.
    »So redeten wir mindestens eine Stunde um den heißen Brei herum, bis mir endlich aufging, daß sie eigentlich wissen wollten, ob Ichiro Honda sich irgendwie abnormal verhalten hatte. Sie wollten hören, daß er mir eine Krawatte um den Hals gelegt hätte, während wir miteinander schliefen. Die Polizei ist einfach unglaublich! Wirklich eine Rasse für sich, ohne jede Vorstellungskraft. Für die sind Lady Chatterley oder der Marquis de Sade nichts als Pornographie; die wissen ja nicht mal, was Pornographie überhaupt ist! « Ein Anflug von Grandeur beflügelte ihre Worte, als sie fortfuhr: »Ich bin Schauspielerin oder zumindest doch eine Frau, die sich auf der Bühne auslebt. Was könnte mir mehr Spaß machen, als Othellos Frau zu spielen — wenn mein Publikum es so will? Wie auch immer, ich muß leider mit einem gewissen Bedauern sagen, daß Ichiro Honda kein Freund solch einzigartiger und erhabener Vorlieben war. Er entpuppte sich schließlich doch als ganz normaler Mann.«
    »Er verhielt sich also völlig normal?«
    »Wenn Sie davon ausgehen, daß Sex nicht an sich schon abnormal ist, dann war er in jeder Hinsicht vollkommen normal.« Wieder zeigte sich ihr Zynismus.
    »Wie haben Sie ihn kennengelernt?«
    »Tja, solche Dinge sind nur eine Frage des richtigen Zeitpunkts, ist es nicht so? Ich fühlte mich einsam, brauchte jemand zum Reden, und ihm ging es anscheinend genauso. Seine Verführung war jedenfalls wie ein Tanz. Er führte, und ich folgte ihm. Es ging unglaublich sanft vor sich. Wollen Sie wissen, was er mir geschenkt hat? Einen Regenschirm aus Papier mit einer Zielscheibe drauf. Sehr originell, finden Sie nicht? So was gefällt Frauen. Und dann seine Stimme ... so süß, so sanft und tief. Er hat wirklich wie ein Mischling ausgesehen; seine Lebensgeschichte klang fürchterlich romantisch. Außerdem erzählte er mir, er importiere Filme fürs Fernsehen — auch das war sehr romantisch. «
    »Und wie oft haben Sie sich getroffen?«
    »Oh, nur dieses eine Mal. Ja, ein einziges Mal bloß.« Ihr Körper wurde unvermittelt von einem Lachkrampf geschüttelt.
    Ein Mann in hautenger Hose und mit leichter Dauerwelle steuerte quer durch den Raum auf sie zu und gesellte sich zu ihnen. Es war der Klavierspieler.
    »Wie ich höre, sind Sie Ichiro Hondas Anwalt — der Kellner hat's mir erzählt. Sehen Sie, ich würde ihn schrecklich gern mal im Gefängnis besuchen — könnten Sie das für mich arrangieren?« Stimme und Gestik des Mannes waren weibisch, und Shinji fühlte einen starken Widerwillen, als er seine

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