Schwestern der Nacht
sind wir ins Gespräch gekommen. Ich fand ihn ganz interessant, und wir hatten gleichzeitig dieselbe Idee — nämlich die Stadt unsicher zu machen. Wir sind in eine meiner Stammkneipen gegangen und haben da 'ne Menge Gin Fizz getrunken.« Sie kicherte.
»Und dann?« half Shinji ihr weiter.
Sie vertiefte sich wieder in ihr Essen und fuhrwerkte geschäftig mit den Stäbchen in der Schüssel herum.
»Nichts dann. Er wünschte mir eine gute Nacht, und ich ging nach Hause.«
Shinji verfluchte seine Unbeholfenheit. Er mußte sich schon etwas geschickter anstellen. Wie sollte er die gewünschte Antwort bekommen, wenn er ihr so dumme Fragen stellte?
Die Kellnerin brachte ihnen zwei Teller mit Tokoroten; Kyoko stürzte sich wie ein hungriger Wolf auf ihren. Shinji tat es ihr mit angemessener Würde nach, erwischte aber gleich beim ersten Bissen zuviel Meerrettich. Ein stechender Schmerz fuhr durch seine Nasennebenhöhlen.
Er machte einen neuen Vorstoß, diesmal allerdings unverblümter.
»Ihr seid doch bestimmt ein Liebespaar gewesen. Was glauben Sie — war er tatsächlich so abnorm, wie die Zeitungen behaupten?«
Sie zog die Schultern hoch und blähte die Nasenflügel.
»Sie wollen doch das gleiche wissen wie dieser Polizist, der hiergewesen ist. Ob er versucht hat, mich zu erwürgen.« »Und, hat er?«
»Natürlich nicht! Für was halten Sie ihn denn, für einen Perversling oder so? Ich will Ihnen mal was sagen: Er war wirklich leidenschaftlich — der leidenschaftlichste Mann, der mir je untergekommen ist«, fügte sie wichtigtuerisch hinzu.
»Haben Sie ihn mit zu sich nach Hause genommen?«
»Was, ich? Das soll wohl ein Scherz sein! In meinem Wohnblock wimmelt's nur so von ehrbaren Familien, die einem berufstätigen Mädchen furchtbar gern nachspionieren.«
»Ich verstehe. Wie oft haben Sie sich denn mit ihm getroffen?« »Och, vielleicht zehnmal oder so — weiß nicht mehr genau.« Shinji verkniff sich ein Lächeln — sie wollte ihm wohl einen
Bären aufbinden! Honda benutzte seine Frauen nie öfter als ein
oder zweimal, er wurde sie schnell leid und zog dann zur nächsten. Das Mädchen wollte entweder angeben oder ihren verletzten Stolz tarnen.
Kyoko hatte ihr Tokoroten geschafft. »Seien Sie so lieb und zahlen Sie für mich mit, ja? Ich muß wieder an die Arbeit. Wenn Sie sonst noch was von mir wollen, kommen Sie am besten ins Café.« Mit diesen Worten stand sie auf und ließ ihn ohne jeden weiteren Abschied allein.
Sie hatte sich mit keinem Wort nach Hondas Befinden erkundigt. Die Affäre mußte für sie nur eine Belanglosigkeit darstellen. Shinji warf ein paar Münzen auf die Theke und ging.
Draußen sengte die Sonne grimmiger denn je herab.
3
Am nächsten Tag stattete er den beiden letzten Frauen auf der Liste einen Besuch ab. Die erste war eine Chansonette, die in einem Nachtklub auf der Ginza arbeitete. Vor dem Aufbruch rief er dort an und erkundigte sich nach den genauen Anfangszeiten ihrer Auftritte. Um fünfzehn Uhr stieg er die Treppe zum >Salon de D.< hinab; dabei kam er an einem Poster vorbei, auf das in Großbuchstaben der Name der Frau gedruckt war, die er sprechen wollte. Am Eingang knöpfte man ihm 150 Yen ab und gab ihm dafür einen Getränkebon sowie den Hinweis, jedes weitere Getränk würde ihn wieder 150 Yen kosten.
Drinnen war es stockfinster, nur ein einziger Scheinwerfer war auf die Frau auf der Bühne gerichtet, die sich dem Mikrofon wie eine Geliebte entgegenreckte und eher zu flüstern als zu singen schien. Shinji nahm im Hintergrund Platz und verfolgte ihre Darbietung; sie war die Frau, deretwegen er gekommen war.
Ihr Auftritt endete mit einem theatralischen Armezucken, als ob sie das Mikrofon umarmen wolle, der Schweinwerfer erlosch, während gleichzeitig die Lokalbeleuchtung anging. Wie erwartet, waren zu dieser Tageszeit kaum andere Gäste da. So weit, so gut. Shinji winkte den weiß befrackten Kellner herbei, bat ihn, Shoko Toda seine Komplimente zu überbringen, und drückte ihm als Referenz seine Karte in die Hand.
Wenige Minuten später trat eine gut gebaute Frau in einem rückenfreien schwarzen Samtkleid an seinen Tisch; sie drückte seine Karte an sich, als wäre sie ein Talisman. Dann stellte sie sich vor und fragte sehr förmlich, womit sie dem Anwalt Shinji zu Diensten sein könne.
Der kurzen Beschreibung der Detektei zufolge war sie etwa siebenundzwanzig, sah jedoch wesentlich älter aus. Shinji bedeutete ihr, sich zu setzen.
»Ich verteidige
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