Schwestern der Nacht
Fotolaborant, der Kosmetikvertreter ... einer nach dem anderen.
Von diesen vieren hatten ihm zwei nichts von Bedeutung erzählt. Die anderen hatten beide von einer merkwürdigen Frau gesprochen. Und keiner von ihnen hatte in letzter Zeit Blut gespendet. Hieß das, daß sie in keinerlei Verbindung zu dem Fall standen? Aber weshalb hatte sich die Person, die in den Blutbanken angerufen hatte, dann für AB rh-negatives Blut interessiert? Sie oder er hatte sich doch bestimmt etwas davon beschaffen wollen? Shinji war verwirrt.
Der Koch brachte sein Essen, und er widmete sich ganz dem Aroma von Meeresalgen und Sesamsamen.
Nur einer fehlt noch, dachte er während des Essens. Der Junge aus der Schwulenbar; war er die letzte verdeckte Karte? Hatte Shinji bisher die falschen Karten aufgedeckt?
Er schob sich die letzte Stäbchenladung in den Mund und schmeckte nur noch Meerrettich, so daß er beinah würgen mußte. Er spülte rasch etwas Tee hinterher und erkundigte sich beim Chef nach der Bar B.
»Oh, das ist hier. Nur einen Stock höher.« Wie sich herausstellte, wurde das Neonschild mit dem fetten Buchstaben >B< halb von dem Dachvorsprung verdeckt, weshalb es ihm nicht aufgefallen war. Er beglich die Rechnung, verließ das Lokal und stieg die schmale Treppe hinauf, die so steil und verzogen war, daß er fast stolperte. Oben war es jedoch geräumiger, als er erwartet hatte; in der Bar saßen vier oder fünf Gäste, die allesamt wie Päderasten aussahen. Shinji ließ sich auf einen Barhocker plumpsen und zog die Schultern hoch. Ein Knabe mit dauergewellten Locken in der Stirn kam auf ihn zu.
»Was darf ich Ihnen bringen, mein Herr?«
»Bier.«
»Jawohl, mein Herr, selbstverständlich, mein Herr, einen Moment bitte«, säuselte der Junge kokett und trippelte davon.
Hinter der Theke standen noch drei andere junge Männer, alle in den gleichen quergestreiften, taillierten Hemden. Sie flirteten über den Tresen hinweg mit den Gästen, traten ab und an einen Schritt zurück, um ihre Körper sinnlich zum Takt der Musik zu wiegen. Sie trugen hautenge Jeans, unter denen sich ihre Hinterteile aufreizend wölbten. Wer von ihnen war wohl Nobuya Mikami? Shinji hatte keine Ahnung, denn die Detektei hatte ihm kein Foto besorgt. Entweder war es dem Beauftragten peinlich gewesen, den reizenden Jungen um ein Bild zu bitten, oder er hatte angenommen, daß Shinji den Kontakt lieber telefonisch als persönlich aufnehmen würde.
Vielleicht war es ein Fehler gewesen hierherzukommen, dachte Shinji, während er an seinem Bier nippte; man würde seine Beweggründe gewiß missverstehen. Er steckte eine Zigarette in den Mund, und sofort streckte ihm der Junge, der ihm das Bier gebracht hatte, ein Feuerzeug entgegen. In seiner Krawatte war ein goldenes »A« eingestickt.
»Ich heiße Akiko«, erklärte er und zeigte mit dem Finger darauf. »Wie geht es Ihnen?«
Dann trugen sie also alle ihre Initialen auf der Krawatte, schloß Shinji ... doch auf keiner war ein >N< zu sehen. Nobuya Mikami mußte mit einem Kunden unterwegs sein. Würde Mikami wieder hierher zurückkommen?
»Ist Nobu heute abend nicht da?« fragte er.
»Aha, Sie wollen also zu Nobu, was? Tut mir leid — er nimmt irgendwo mit einem Kunden eine Tasse Tee, wenn Sie verstehen, was ich meine. Na, wenn Sie ihn kennen, wissen Sie ja auch, wie egozentrisch er ist; er sagt, er macht alles, wenn genug Geld dabei rausspringt!«
»Wirklich? Ein echter Profi, meinen Sie?« Der Junge kicherte, aber ein kleiner Mann auf dem Hocker neben Shinji drehte sich herum, schielte ihn durch seine Brillengläser an und lispelte: »Na so was! Das tut mir aber leid! Sie sind auch an Nobu interessiert? Seien Sie bloß vorsichtig — er ist ein entsetzlicher Schäker und furchtbar kaltherzig. Einmal traf er sich in einem Hotel mit einem Fremden, der hier angerufen hat, und dieser Mann gab ihm zehntausend Yen, obwohl Nobu nur eine Stunde mit ihm verbracht hat!«
»Holla!« rief ein anderer Gast aus. »Was für ein Junge! Wann war denn das?« Shinji kam dieses Eingreifen sehr gelegen.
»Vor einem halben Jahr, an seinem Geburtstag. Sein spendabelster Gönner war hier und sagte: >Laß uns feiern! Heute abend geht alles auf meine Rechnung!<, aber als dieser Anruf kam, ließ uns Nobu einfach allein und verschwand. >Eine Verabredung<, war sein ganzer Kommentar, >geht eben vor.< Sogar Mama-san hat sich über ihn geärgert. Nach einer Stunde kam er zurück und meinte: >Ich hab' meine Energie auf ein Steak in
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