Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
und rollte mit vollem Schwung von hinten gegen seine Beine. Der Psychoschwafler wankte, kippte nach vorn und fluchte laut auf Höllenisch – nicht zu verwechseln mit Hellenisch. Als er krachend auf dem Boden aufschlug, ging ich in die Hocke und rief den Blitz herab. Ich hatte keine Zeit, die Energie sich langsam und sicher aufbauen zu lassen, sondern befahl der knisternden Entladung, direkt vom Himmel herabzuschießen.
Der Dämon ließ seine Zunge hervorschnellen und richtete sich taumelnd auf. Seine Haut war wie eine Rüstung, schuppig und ledrig und rostfarben, und als er das Maul aufriss, konnte ich schillernde Tropfen an seinen Hauern und Zähnen sehen. Toll – der Junge hatte vergifteten Speichel, ein verbreiteter Zug bei Niederen Dämonen.
»Hässlicher Mistkerl bist du, was?« Ich spürte den kribbelnden Kuss der Blitze und öffnete mich weit ihrer Kraft. Als die volle Ladung durch meinen Körper knallte, musste ich darum kämpfen, bei Bewusstsein zu bleiben. Wenn ich jetzt ohnmächtig wurde, würde sich die Energie gegen mich selbst wenden und mich bei lebendigem Leib rösten.
Ich stand mühsam auf. Der Psychoschwafler tat es mir gleich, und wir standen einander gegenüber wie die Jukon-Kämpfer von den Inselreichen in der Anderwelt, die auf das Signal warteten, den Kampf zu beginnen. Wie bei den Jukon-Kämpfern ging es auch hier um Leben und Tod. Im Gegensatz zu den Meereskriegern war ich jedoch nicht bereit, jeden Moment zu sterben.
»Gib auf, Mädchen. Du kannst mich nicht besiegen«, sagte der Dämon mit belegter Stimme, die um seine dicke Schlabberzunge herumzischte.
Ich ignorierte den Spott und konzentrierte mich vollkommen, während sich die Ladung in meinem Körper aufbaute. Ich spürte, wie ich schreckenerregend in die Höhe wuchs und erste kleine Entladungen auf meiner Haut zischelten. Ich holte tief Luft, flüsterte ein Gebet an die Mondmutter, und sie beantwortete es. Stark, sie war sehr stark, und ihr silbriges Blut strömte durch meinen Körper, Blut zum Blute, Atem zu Atem, Fleisch zum Fleische. Mit einem letzten Atemzug hob ich die Hände. Er mochte ein Dämon sein, aber ich war halb Fee und ganz Hexe, und obwohl meine Kräfte manchmal einen Kurzschluss erlitten, rief ich doch den Mond und die Blitze herab, um meinen Willen zu tun.
Er zögerte, und seine Augen wurden schmal. »Hexe –«
» Verdammt richtig «, sagte ich. »Und du hast eine Grundregel der Höflichkeit vergessen. Nie, niemals eine Hexe reizen!« Dann ließ ich die Blitzenergie los. Zwei Blitze schossen aus meinen Händen und schlugen in seine Brust ein. Er grunzte und taumelte, und der Gestank verbrannten Fleisches drang mir in die Nase. Sofort bereitete ich den nächsten Angriff vor.
Er sprang auf mich los und schlug mit einer seiner Pranken nach mir, doch ich wich ihm geschickt aus. Der Dämon schlug noch einmal zu und verfehlte mich diesmal nur um Zentimeter. Hastig sprang ich beiseite und bemühte mich, das Gleichgewicht zu halten. Wenn ich nicht schnell Hilfe bekam, würde ich als Kebab enden.
Ich lauschte angestrengt in der Hoffnung, nahende Unterstützung zu hören. Nichts. Und dann – ein schwaches Klicken aus der Küche. Ich warf einen raschen Blick aus dem Fenster und sah, dass dank der dicken Wolkendecke die Abenddämmerung früh hereingebrochen war.
»Hey! Dämon! Komm her und küss mir den Arsch«, drang eine vertraute Stimme schneidend durch den Raum. Als der Psychoschwafler herumfuhr, erhaschte ich einen Blick auf Menolly mit scharlachrot glimmenden Augen und voll ausgefahrenen Reißzähnen. Als sie auf ihn zusprang, ließ ich einen weiteren Blitzstrahl los, diesmal auf seine Beine gezielt. Seine Haut war so zäh und dick, dass die Energie sie ein wenig versengte, doch ansonsten keinen Schaden anrichtete.
Donner grollte durch den Raum, als der Blitz durch seinen Körper zuckte. Menolly knurrte – Blitze würden ihr nichts anhaben, aber sie mochte sie nicht sonderlich. Dem Dämon gefielen sie noch weniger. Er wirbelte wieder herum, und seine Klauen zischten knapp an mir vorbei, doch er schaffte es, mich umzureißen und zu Boden zu schleudern. Ich kreischte, als er grinsend die Zähne bleckte, nur ein paar Fingerbreit vor meinem Gesicht, doch dann erhob er sich in die Luft wie an Fäden gezogen, und ich sah, dass Menolly, meine zierliche kleine Schwester, ihn mit einer Hand hochhob.
Ich machte, dass ich wegkam. Dann beobachtete ich, wie Menolly den Kopf in den Nacken bog und den Mund aufriss. Ihre
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