Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
erkennen würdest«, sagte ich und winkte ab, als Delilah mich blass und erschrocken ansah.
»Was ist mit den anderen Siegeln?«, fragte Menolly. »Sollten wir nicht versuchen herauszufinden, wo die sind?«
Ich stand von meinem Sessel auf und spähte durch die schweren Samtvorhänge, die das Esszimmer gegen die Außenwelt abschirmten. Regen floss in kleinen Wasserfällen vom Dach ab, doch ein Schimmer im Osten sagte mir, dass der Morgen heraufzog.
»Immer eins nach dem anderen. Mehr können wir nicht tun. Und wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Menolly, du gehst jetzt besser schlafen. Die Morgendämmerung zieht herauf, und du willst sicher nicht vom Sonnenaufgang überrascht werden – sofern man in dieser gottverlassenen Gegend überhaupt mal die Sonne zu sehen bekommt.«
»Ich kann sie spüren«, erwiderte sie. »Mein Körper wird langsamer. Also dann, gute Nacht, und weckt mich, sobald es sicher ist.« Sie hob die Hand an die Lippen und blies uns eine Kusshand zu. Ich bat Trillian, im Wohnzimmer zu warten, und als er außer Sichtweite war, trat Menolly an das Regal vor der Wand. Sie zog daran, und binnen Sekunden war sie im Keller verschwunden, und die Geheimtür glitt leise hinter ihr zu.
Das Telefon klingelte, als ich Trillian zurück ins Esszimmer bat. Delilah ging dran. »Nein, tut mir leid, sie ist nicht zu sprechen... Ja, das richte ich ihr gern aus. Wie war bitte Ihr Name?« Sie kritzelte eine Nachricht auf den Notizblock neben dem Telefon, dann sagte sie: »Hab ich notiert. Wiederhören!«
»Wer war das?«, erkundigte ich mich.
»Irgendein Kerl namens Wade. Er sagt, er will mit Menolly ausgehen.«
»Na, sieh mal einer an«, sagte ich und erklärte ihr grinsend, wer Wade war. »Vielleicht wird Menolly doch noch bei den Anonymen Bluttrinkern eintreten.«
Delilah gähnte mit schweren Lidern. »Schön für sie... aber ich muss jetzt wirklich ins Bett. Mein letztes Nickerchen ist schon viel zu lange her. Gute Nacht«, sagte sie und ging die Treppe hinauf.
Ich spürte, wie sich dieselbe Trägheit in meinem Körper ausbreitete. Ich war die ganze Nacht lang auf den Beinen gewesen, und die Begegnung mit Großmutter Kojote hatte mich viel Kraft gekostet. Ich wandte mich Trillian zu. »Ich denke, du solltest dich auch verabschieden. Vater wartet sicher schon auf dich.«
»Ja, ich sollte gehen«, flüsterte er, und ich spürte seinen heißen Atem in meinem Ohr, als er hinter mich trat und einen Arm um meine Taille schlang. »Aber erst musst du mir sagen, warum du mich verlassen hast, Camille. Du hast keine Vorurteile gegen meinesgleichen, wie der Rest deiner Familie. Habe ich dir wehgetan?«
Ich biss mir auf die Lippe und schüttelte den Kopf. »Nein, aber dazu wäre es bald gekommen. Irgendwann. Svartaner verletzen immer jene, die sie lieben. Ich wollte nicht mehr da sein, wenn du meiner überdrüssig wirst. Ich wollte nicht weggeworfen werden wie die Essensreste von gestern.«
»Also hast du mich verlassen, bevor ich dich verlassen konnte.« Er drückte die Lippen sacht in meinen Nacken und knabberte zärtlich an meiner Haut.
Ich erschauerte. »Tu das nicht, Trillian. Wenn wir wieder etwas miteinander anfangen, weiß ich nicht, ob ich noch einmal gehen könnte. Ich habe mich in dich verliebt, und du weißt, was das bedeutet.«
»Warum solltest du mich dann verlassen?«, flüsterte er. »Warum solltest du einfach fortgehen, obwohl du mich liebst? Obwohl du wusstest, dass ich dich noch wollte? Ich kann fühlen, wie dein Körper nach mir ruft. Du willst mich in dir, heiß und hart. Lass mich ein. Ich schwöre dir, du wirst es nicht bereuen.«
Erinnerungen an unsere Beziehung flackerten in mir auf, die guten wie die schmerzlichen. Svartaner banden ihr Herz niemals an nur eine Person. Oder überhaupt an jemanden. Und obwohl ich zwar nicht auf einer festen Beziehung bestand – oder sie mir wünschte –, war ich doch süchtig nach Trillian, nach seiner Macht über mich. Dass er mich einfach fallenlassen könnte, war eine entsetzliche Vorstellung. Andere Frauen in seinem Bett wären kein Problem für mich, aber es wäre mir unerträglich, wenn er sich einfach von mir abwenden würde. Die Ausstrahlung seiner Rasse war so intensiv, dass eine einzige Nacht in den Armen eines Svartaners ausreichte, um sich nach der nächsten zu verzehren, und noch einer. Ich konnte mir kaum mehr vorstellen, mich von jemand anderem berühren zu lassen. Konnte ich es wagen, ihm jetzt wieder einen Platz in meinem Leben
Weitere Kostenlose Bücher