Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
gefolgt von einem AND-Notfallteam – die Szene kam mir langsam allzu vertraut vor. Ich zwang mich, beiseitezurücken, damit die Sanitäter Trillian untersuchen konnten. Eine von ihnen, eine jüngere Elfe, kannte ich; das war Sharah, eine Nichte des Elfenhofes. Sie tätschelte mir den Arm, und falls sie es ekelhaft fand, einen Svartaner behandeln zu müssen, verbarg sie ihren Abscheu gut.
Morio und ich schilderten den Medizinern, was geschehen war. Einer von ihnen sah sich den Fellgänger an, während die anderen sich auf Trillian konzentrierten. Ich trat zurück und beobachtete mit einem Gefühl gedämpften Grauens, wie sie ihn auszogen und ihm eine Spritze mit einer schimmernden blauen Flüssigkeit in den Arm jagten. Das Elixier würde sein Herz weiterschlagen lassen, während sein Körper gegen das Nervengift ankämpfte.
Als ich Chase einen kurzen Blick zuwarf, sah ich, dass er einen Arm um Delilahs Taille gelegt hatte. Keiner von beiden merkte, dass ich sie beobachtete, und ich fühlte mich plötzlich sehr einsam. Hätte Menolly doch nur länger aufbleiben können. In diesem Augenblick trat Morio zu mir, und ich griff nach seiner Hand, während wir den hektischen Bemühungen zusahen, Trillians Leben zu retten.
Schließlich ließ sich einer der Mediziner zurücksinken und wischte sich mit einem Tuch die Stirn ab. »Er ist stabil genug für den Transport, aber wir müssen ihn sofort in die Anderwelt bringen. Wenn wir das nicht tun, wird sein Zustand sich rasch verschlechtern, und er wird sterben. Er hat eine tödliche Dosis des Fellgänger-Giftes abbekommen. Wenn er nicht so stark wäre, hätte es ihn bereits getötet.« Der Sanitäter sah uns andere an. »Hat noch jemand eine Schnittwunde? Und sei es nur ein kleiner Kratzer?«
Morio schüttelte den Kopf. »Ein paar Blutergüsse, aber keinen Kratzer. Nicht, dass ich wüsste. Camille? Delilah? Ihr wurdet beide angegriffen. Fehlt euch auch nichts?«
Verwirrt blickte ich an meinem Körper hinab. Mein Nacken schmerzte, aber ich hatte keine Ahnung, ob der Fellgänger mir irgendwo eine Schramme zugefügt hatte.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich.
»Komm mit.« Delilah löste sich von Chase und streckte mir die Hand hin. »Wir gehen nach nebenan und untersuchen uns gegenseitig auf Kratzer.«
Ich warf einen letzten Blick auf Trillian, dessen Augen fest geschlossen waren, bevor ich mich von ihr wegführen ließ.
Im Badezimmer zogen wir uns aus und untersuchten einander gründlich. Ich hatte ein paar Kratzer an der Schulter, aber die stammten von Delilah in Katzengestalt und waren schon fast verheilt. Keine neuen Schnitte, Kratzer oder Hautabschürfungen.
Ich schlüpfte wieder in mein Nachthemd, das natürlich völlig zerfetzt worden war, und sank auf dem Rand der Badewanne zusammen, während Delilah sich ihren Pyjama anzog.
Sie setzte sich neben mich und nahm meine Hand. »Sie werden ihn retten. Er wird wieder gesund, wenn er erst in der Anderwelt ist.«
»Sofern sie ihn überhaupt behandeln, wenn er dorthin kommt. Svartaner sind bei uns nicht gern gesehen, wie du weißt.«
»Die Heiler unterstehen nicht alle der Krone«, widersprach sie. »Er schafft das schon, Camille. Er ist zäh. Und er liebt dich. Warum sonst hätte er zurückkommen sollen? Svartaner kehren nie zu ehemaligen Geliebten zurück, aber er ist zu dir zurückgekehrt.«
Ich schüttelte traurig und erschöpft den Kopf. »Nein. Ich werde mir nichts einreden, was womöglich gar nicht wahr ist. Vor allem, wenn es um sein Leben geht. Ich darf mich nicht in dem Glauben wiegen, dass er mich liebt. Falls er das hier überlebt, werden wir weitersehen.« Doch in einer stillen Ecke meines Herzens flehte ich die Götter an, ihn leben zu lassen. Selbst wenn ich ihn nie wiedersehen sollte – ich wollte nicht, dass er starb.
Als wir zum Wohnzimmer zurückgingen, fragte ich mich, ob dies das letzte Mal war, dass ich Trillian lebend sah.
Sobald die Sanitäter sich um unsere Blutergüsse gekümmert hatten, rückten sie mit Trillian und dem Fellgänger ab. Mit heulenden Sirenen rasten sie zum Wayfarer. Sie würden Trillian durch das am besten zugängliche Portal bringen müssen – Großmutter Kojote hätte sie zwar zu ihrem Portal in den Wäldern geführt, aber der rauhe Weg durchs Unterholz hätte ausreichen können, um Trillian umzubringen, ehe sie das Portal erreichten.
Als sie weg waren, gingen Delilah und ich nach oben, um uns umzuziehen. Wir überließen es Chase und Morio, unten aufzuräumen.
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