Schwestern des Mondes 02 - Die Katze-09.06.13
viel über die Wergemeinde von Seattle. Wenn mir irgendjemand mehr über die Pumas vom Rainier-Rudel sagen konnte, dann war das Siobhan.
Ich tippte ihre Nummer. Siobhan Morgan war ein Selkie – eine Werrobbe –, und sie wohnte in der Nähe der Ballard Locks, der großen Schleusenanlagen. Ihre Wohnung lag an der 39th Avenue West, direkt am Ufer in der Nähe der Stelle, wo die Shilshole Bay auf die Salmon Bay traf; so konnte sie jederzeit ins Wasser, wenn sie wollte.
Siobhan hatte eine hauchige Stimme und hörte sich immer an, als hätte sie gerade trainiert oder einen Marathon hinter sich gebracht. »Wer ist da?«, fragte sie.
»Miau.«
Sie lachte. »Delilah, wie schön, von dir zu hören. Was gibt’s?«
»Ich wollte dich fragen, ob ich bei dir vorbeischauen könnte. Ich habe ein paar Fragen über einen Wer-Clan draußen am Mount Rainier, und ich hatte gehofft, du weißt vielleicht etwas darüber.« Eine Fliege landete auf meiner Nase, und ich schlug nach ihr. Sogar mitten in einer Kälteperiode im Dezember tummelten sich in diesem Gebäude Fliegen, Ratten und alle möglichen anderen netten Tierchen.
»Um wen geht es denn?«
»Das Rainier-Puma-Rudel«, sagte ich.
Nach einer kurzen Pause entgegnete sie: »Ja, komm vorbei, so in anderthalb Stunden, wenn dir das passt. Ich weiß einiges über das Rainier-Rudel. Eine sehr eng verwobene Gemeinschaft. Sie scheinen ganz in Ordnung zu sein, aber es gab in letzter Zeit einige Gerüchte in der Wergemeinde. Ziemlich vage, aber es ist sicher besser, du informierst dich über sie, bevor du dich mit ihnen einlässt.«
Ich vergewisserte mich, dass ich die richtige Adresse hatte, schnappte mir Jacke und Handtasche und machte mich auf den Weg. Ich würde schnell auf dem Pike Place Market vorbeischauen und Iris’ Sachen abholen, ehe ich zu Siobhan fuhr. Als ich in meinen Jeep stieg, fragte ich mich, ob die Gerüchte, die sie erwähnt hatte, etwas mit den toten Werpumas zu tun haben mochten – und wenn ja, was da draußen eigentlich lief.
Auf dem Pike Place Market herrschte weihnachtliches Gedränge. Der halb offene Markt war der ganze Stolz Seattles, mit über zweihundert kleinen Läden, unzähligen Verkäufern, die tageweise Stände mieteten, Straßenmusikern, Zauberern und einer Menge anderen Straßenkünstlern. Camille und mich erinnerte der Markt immer an zu Hause. Menolly bekam ihn leider nie zu sehen – für gewöhnlich schloss der Markt zu der Zeit, da sie endlich das Haus verlassen konnte –, aber Camille und ich kamen sehr gern zum Shoppen hierher. Ich musste nur aufpassen, dass ich den Fischhändlern aus dem Weg ging, die gern Kostproben in die Menge warfen. Das war der Versuchung zu viel.
Ich schlängelte mich zwischen den Gemüseständen hindurch und sog tief den Duft der frischgebundenen Weihnachtskränze und verschiedener frischer Kräuter ein, die jetzt hauptsächlich verkauft wurden, weil zu dieser Jahreszeit kaum Gemüse Saison hatte. Als ich um eine Ecke bog, kamen mir auf dem Bretterboden des Zwischengeschosses drei junge Mädchen entgegengerannt, und die Jüngste, die kaum älter sein konnte als sieben, prallte gegen mich. Die Mädchen blieben schlitternd stehen. Diejenige, die mich angerempelt hatte, blickte auf, riss die Augen auf und wich hastig zurück.
»Sie sind eine von den Feen!«, flüsterte sie so leise, dass ich sie kaum hören konnte.
Ich zwinkerte ihr zu. »Ja, das bin ich. Ich heiße Delilah.« Ich hielt ihr aber nicht die Hand hin; wenn man in der Erdwelt freundlich zu Kindern war, wurde das nur allzu leicht missverstanden. Mir war zwar klar, warum, trotzdem fand ich das furchtbar traurig.
Sie schlug sich die Hand vor den Mund, und ihre kleinen Freundinnen wirkten ebenso beeindruckt. Schließlich sagte eine von ihnen, mit kurzem rotem Haar und mehr Sommersprossen als heller Haut im Gesicht: »Hallo. Ich heiße Tanya. Sind Sie eine Feenprinzessin? Ich wollte schon immer mal einer Feenprinzessin begegnen!« Sie schnupperte an einer roten Nelke, die sie in der Hand trug.
Ich enttäuschte sie nur ungern, schüttelte aber dennoch den Kopf. »Es tut mir leid, Tanya, aber ich bin keine Prinzessin. Ich bin eine ganz normale Fee. Die meisten von uns sind nicht sehr besonders.«
»Sie sind eine böse Frau«, sagte die Kleine, die in mich hineingerannt war. »Meine Mama sagt, dass ihr Feen alle Nutte n seid und dass ihr daran schuld seid, dass Papa uns verlassen hat.«
O ihr guten Götter. Was zum Teufel sollte ich denn darauf
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