Schwestern des Mondes 02 - Die Katze-09.06.13
sagen sollte, zwang ich mich zu stammeln: »Ich hole dir deinen Kaffee. Übrigens«, fügte ich von der Tür aus hinzu, »die Nordlande findest du auf keiner Karte. Sie liegen auch nicht in der Anderwelt. Sie existieren außerhalb beider Welten, hinter einem der Himmelsportale. Aber das ist nicht wichtig. Wir müssen gar nicht dorthin. Smoky wird den Herbstkönig beschwören und zu uns in die Erdwelt holen.«
Ich ließ ihn in Ruhe darüber nachdenken und ging in die Küche. Camille stand am Herd und trank ihren Kaffee. Sie trug einen wadenlangen Wanderrock, einen pflaumenblauen Pulli mit weitem Rollkragen und kniehohe Lederstiefel mit Schnallen an den Seiten und guten Profilsohlen, wenn auch die Absätze knapp zehn Zentimeter hoch sein mussten. Ich hatte sie nie gefragt, wie sie in den Wäldern mit so hohen Absätzen zurechtkam; für sie schien das ganz natürlich zu sein. Ich hingegen hatte mich für meine gemütlichsten Jeans entschieden, einen Rolli, der so türkis war wie das Meer in den Tropen, und feste Turnschuhe.
Ich lehnte mich neben sie ans Spülbecken, kniff die Augen zu und überlegte, was ich wegen Zach unternehmen sollte. Wir fühlten uns zueinander hingezogen, das war offensichtlich, aber ich hatte keine Ahnung, wohin das führen sollte. Oder ob ich überhaupt wollte, dass es zu irgendetwas führte.
»Alles in Ordnung mit dir?« Camille sah mich besorgt an.
»Ja, ich glaube schon. Zach ist da. Er möchte einen Kaffee.«
Ob es an dem Zögern in meiner Stimme lag oder ihrer scharfen Beobachtungsgabe – Camille stellte ihren Becher weg und wandte sich mir mit einem wissenden Lächeln zu. »Du begehrst ihn, nicht wahr?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist ja das Problem. Ich weiß es nicht. Erst war ich nicht sicher, ob es nur die Hormone waren oder ob ich mich wirklich zu ihm hingezogen fühle. Ich bin immer noch nicht sicher, aber was auch immer es ist, das Gefühl wird stärker.«
Camille seufzte und goss einen Becher Kaffee ein. »Nimmt er Milch und Zucker?« Ich schüttelte den Kopf, und sie fuhr fort: »Ich glaube, du hast viel von der emotionalen Art unserer Mutter geerbt.«
»Kann sein, aber ich habe kein schlechtes Gewissen wegen Chase, sondern... « Ich verstummte und erforschte meine Seele. Was ich gesagt hatte, stimmte zu einem gewissen Grad, aber da war noch etwas anderes, etwas, das mich zögern ließ.
Ich versuchte es noch einmal. »Zachary ist sexy und ein Werwesen, und er scheint ganz in Ordnung zu sein. Ich sollte mich zu ihm hingezogen fühlen. Das wäre nur normal. Aber ich denke ständig: Finde ich ihn attraktiv, weil ich glaube, dass ich ihn attraktiv finden sollte? Was ich mit Chase habe, ist alles andere als logisch. Chase ist kein Übernatürlicher, er ist eifersüchtig, obwohl er so tut, als wäre er das nicht, und er wird alt werden und sterben, lange, lange vor mir. Aber... er hat irgendetwas an sich, was dafür sorgt, dass ich mich inzwischen bei ihm sehr wohl fühle.«
»Vielleicht bist du doch Vater ähnlicher als Mutter«, sagte Camille.
Ich seufzte tief, hüpfte auf die Küchentheke und ließ die Beine baumeln. »Bei Zachary fühle ich mich unbeholfen, als hätte ich keine Kontrolle über mich. Ich fühle mich in seiner Gegenwart nicht besonders selbstsicher. Und ich weiß nicht, warum.«
»Willst du meinen Rat hören?« Auf mein Nicken hin sagte Camille: »Mach dir nicht so viele Gedanken. Forciere nichts. Im Augenblick haben wir größere Probleme, und ich würde dir raten, die Sache einfach eine Weile zu vergessen. Wenn es dir und Zach bestimmt ist, zusammenzukommen, wird das geschehen, wenn es so weit ist.«
Ich starrte auf den Kaffee hinab. Die dunkle Flüssigkeit dampfte, und ein wenig Schaum drehte sich auf der Oberfläche. »Mehr kann ich wohl nicht tun.« Als ich nach dem Becher griff, bemerkte ich etwas auf einem Pappteller vor der Mikrowelle. »Was ist das?«
»Etwas Wichtiges. Ich wollte dir gerade davon erzählen, aber ich bin nicht dazu gekommen. Das hier ist ein weiterer Grund, weshalb ich dir raten würde, deinen Gefühlen für Zach vorerst nicht nachzugeben.«
Ich warf einen Blick auf den Pappteller. Darauf lag ein klebriges Häufchen Spinnfäden aus dem Netz, das Cromwell seinen letzten Auftritt beschert hatte. »Was ist damit?«
»Ich habe dieses Netz heute früh, vor Sonnenaufgang, magisch untersucht. Ich bin früh aufgewacht und konnte nicht wieder einschlafen, also bin ich nach draußen gegangen, um mich zu vergewissern, dass
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