Schwestern des Mondes 02 - Die Katze-09.06.13
mich vorzutreten.
Camille trat hinter mich. »Ich bin bei dir«, flüsterte sie mit zitternder Stimme.
Ich dachte an ihren Ausflug zu Großmutter Kojote und fragte mich, wie sie den allein durchgestanden hatte. Bei den Göttern, ich würde dem Herbstkönig nicht ganz allein gegenüberstehen wollen. Nein, auf keinen Fall. Dazu war ich nicht mal ansatzweise mutig genug.
Ich starrte auf seine Hände und überlegte, ob ich sie ergreifen sollte. Eine leise Stimme in meinem Inneren drängte mich dazu. Ich vertraute auf meinen Instinkt und gab ihm meine Hände.
Feuer und Eis . Der Schock hätte mich beinahe umgehauen. Eine Hand fühlte sich an, als brenne sie, die andere, als sei sie durchgefroren. Als die beiden gegensätzlichen Kräfte meine Arme emporstiegen und sich zwischen meinen Schultern vereinigten, stießen sie mich förmlich auf ihn zu. Ich taumelte in seine Arme, und er schloss seinen Umhang aus Blättern um meine Schultern und zog mich an sich.
Aus der Dunkelheit unter dem Umhang konnte ich Camille und Smoky schreien hören, und dann erschütterte ein Lärm wie Donner die Lichtung, und alles war still. Ich wehrte mich, doch der Herbstkönig hielt mich gepackt und drückte mich so fest an sich, dass ich kaum noch Luft bekam. Ich versuchte, mich zu verwandeln, doch es ging nicht. Seine Magie war zu stark. Also konzentrierte ich mich darauf, weiterzuatmen.
Einatmen...
. . . die feuchten Gerüche von Moder und Schimmel, von Feuern um Mitternacht wirbelten um mich herum. Sie trieben auf einer Brise heran, dem Nordwind, wie flüsternde Zungen aus Eis und Frost, wie die kalte Liebkosung des Herbstes.
Ausatmen...
. . . Langsam ließ ich die Luft aus meiner Lunge entweichen und ein wenig von der Kälte mitnehmen. Und noch einmal –
Einatmen...
. . . der Geschmack von Friedhofserde und Totenmanns Hand auf meiner Zunge, und dann beugte er sich vor und küsste mich auf die Stirn, brandmarkte mich mit einer Flamme, die sich bis auf den Kern in mich hineinbrannte.
Ausatmen...
. . . und als ich zum zweiten Mal den Atem ausstieß, ließ er mich los, ich taumelte rückwärts, stolperte über eine Wurzel und knallte auf den Hintern. Hastig rutschte ich von ihm fort, halb kriechend, halb krabbelnd. Camille schnappte nach Luft und fiel neben mir auf die Knie. Ich blickte auf und sah, wie die anderen sich schüttelten, als wären sie eben erst aufgewacht. Smoky bedeutete Zach und Morio, vorsichtig zu sein und sich nicht vom Fleck zu rühren.
Ich starrte zum Herbstkönig auf, der schweigend und wartend dastand. Als Camille mir auf die Füße half, merkte ich, dass sich meine Stirn seltsam anfühlte, als hätte sich dort etwas in die Haut gebohrt. Ich wandte mich ihr zu, um sie zu fragen, ob sie da etwas sehen könne, doch noch ehe ich den Mund aufmachen konnte, fuhr sie zusammen und starrte in mein Gesicht.
»Oh, Kätzchen«, sagte sie leise. »Deine Stirn!«
»Was ist damit? Ich spüre, dass irgendetwas mit mir passiert ist, aber ich weiß nicht, was.« Ihr Gesichtsausdruck machte mir Angst. Hatte er mich in ein Froschweib verwandelt? Oder in das Ungeheuer aus der Schwarzen Lagune – das übrigens zufällig den Lemurianern sehr ähnlich sah, einer Spezies von WasserKryptos aus der Anderwelt.
Camille streckte die Hand aus und berührte sacht meine Stirn. »Delilah, du hast ein Brandmal in Form einer schwarzen Sense auf der Stirn.«
»Was? Was zum Teufel... ?« Ich rappelte mich hoch und fuhr zum Herbstkönig herum, der immer noch schweigend dastand. »Was ist das? Was habt Ihr mit mir gemacht?« Meine Wut war stärker als meine Angst, und ich stürmte auf ihn zu.
Der Herbstkönig blickte auf mich herab – er war gut eins neunzig groß – und lächelte gerissen, wobei sich seine Mundwinkel nur millimeterweit hoben. »Du kommst zu mir auf der Suche nach Informationen. Es hat immer seinen Preis, wenn man die Erbauer der Welten aufsucht. Jeder, der mich um Hilfe bittet, bezahlt mir etwas.«
Ich zögerte und wollte einwenden, das sei nicht fair, weil er mir gar keine Wahl gelassen hatte, aber ein Blick in seine Augen sagte mir, dass das nichts nützen würde. Was getan war, war getan. Es gab kein Zurück, kein Anders-Überlegen, kein Weglaufen.
»Was habt Ihr mit mir gemacht?«, fragte ich erneut.
Er zuckte kaum merklich mit den Schultern. »Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du es erfahren. Und nun stell deine Fragen, ehe mir langweilig wird und ich wieder gehe.« Er deutete auf einen umgestürzten Baumstamm,
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