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Schwestern Des Mondes 03 - Die Vampirin-09.06.13

Schwestern Des Mondes 03 - Die Vampirin-09.06.13

Titel: Schwestern Des Mondes 03 - Die Vampirin-09.06.13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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ich die Straße entlangspazierte und versuchte, so auszusehen, als gehörte ich hierher, fiel mir auf, dass es manchmal sogar ganz praktisch war, keine magischen Fähigkeiten zu haben. Morio und Camille konnten die gewaltigen Überschüsse von Energie nicht aushalten und mussten sich erst dagegen abschirmen. Ich hingegen konnte die mächtigen Wellen magischer Energie, die durch diese Stadt strömten, kaum spüren.
    Ich sah mich um. Fast alle trugen weite Gewänder, und es war schwer, Laune oder Temperament der Passanten unter diesen dunklen Kapuzen abzuschätzen. Schließlich entschied ich mich für einen Abzählreim, und am Ende deutete mein Finger auf einen Mann in einem goldenen Kimono, der an einer Wand lehnte und etwas rauchte, das verdächtig einer Zigarette ähnelte. Als ich näher kam, trieb der beißende Geruch von Wermut und Beifuß zu mir herüber, und ich verzog das Gesicht. Beifuß war einfach ekelhaft, und Wermut war nicht besonders gut für die Gehirnzellen.
    »Hallo«, sagte ich und trat auf ihn zu. »Ich würde Euch gern etwas fragen, wenn ich darf... «
    »Psst«, fiel er mir ins Wort. »Still. Hört Ihr das?« Er neigte den Kopf zur Seite, als lausche er angestrengt einem leisen Flüstern.
    Ich lauschte brav, denn ich vermutete, dass aufdringliche Direktheit mich in dieser Stadt nicht weit bringen würde. Nach ein paar Augenblicken hörte ich tatsächlich einen schwachen Rhythmus in der sanften Brise; es hörte sich an wie langsamer Trommelschlag. Camille benutzte oft solche Klänge, um sich in Trance zu versetzen und in einem anderen Geisteszustand arbeiten zu können.
    »Was ist das?«, flüsterte ich.
    »Im Tempel des Hycondis halten sie heute Abend ihr Ritual ab. Sie bringen ein Opfer dar.«
    Ich schluckte eine voreilige Erwiderung herunter und zwang mich, meine oberflächlichen Eindrücke für mich zu behalten. Zu Hause in Y’Elestrial unterlagen die Tempel Beschränkungen – es war genau festgelegt, was sie tun durften und was nicht. Die meisten Rituale waren gestattet, aber alle, zu denen ein bewusstes Opfer gehörte, waren verboten; allerdings gingen fanatische Sekten oft in den Untergrund, um ihre finsteren Riten im Verborgenen abzuhalten.
    »Hycondis?«, fragte ich und hoffte sehr, dass dieser Gott, wer immer er auch sein mochte, nichts mit dem Tempel des Gerichts zu tun hatte.
    »Der Herr der Krankheit. Seine Anhänger opfern ihm Leichen, um sie zu reinigen und zu läutern, ehe sie in den Schoß der Mutter zurückkehren.« Er klang gelangweilt, als rezitiere er aus einem Lehrbuch.
    »Ihr meint, sie sind schon tot, wenn sie geopfert werden?«
    Mit angewiderter Miene verdrehte er die Augen gen Himmel. »Natürlich sind sie tot. Im Gegensatz zu den Opfern, die Ihr Eurem Magen bringt, Vampirin. Also, was wollt Ihr?« Er warf seine Kräuterzigarette weg, und sie verschwand mit einem kleinen Lichtblitz, statt als Müll auf der Straße liegen zu bleiben. Praktisch, wirklich praktisch.
    »Ich suche den Tempel des Gerichts«, sagte ich.
    »Zweifellos. Ich bin sicher, Ihr habt eine Menge zu büßen«, sagte er mit einem leisen Schnauben. O Mann, der hielt sich wohl für besonders witzig. »Ihr findet den Tempel in dieser Richtung, zwei Querstraßen weiter, dann nach rechts bis zur nächsten Ecke, und schon seid Ihr da.«
    Ich wollte mich bei ihm bedanken, doch er wandte sich ab und ignorierte mich, als wäre ich gar nicht da. Ich ließ die Sache auf sich beruhen – es hatte keinen Sinn, Streit mit jemandem anzufangen, nur weil er unhöflich war. Außerdem war ich hier schließlich der Besucher.
    Die Straße leerte sich, je weiter ich ging. Ich sah auf meine Armbanduhr. Viertel vor neun. War das hier Essenszeit? Falls es hier eine nächtliche Ausgangssperre gab, hatten die Wachen sie jedenfalls nicht erwähnt. Aus welchem Grund auch immer, um neun Uhr unserer Zeit war kein einziger Fußgänger mehr unterwegs. Ab und zu hörte ich etwas vorbeirumpeln, das nach einer Kutsche klang, aber ich konnte nichts sehen. Mir sträubten sich die Nackenhaare, schon seit ich diese Seitenstraße, die Tempelstraße, betreten hatte.
    Und dann stand ich vor dem Tempel des Gerichts. Eine riesige, aus Stein gemeißelte Waage, so groß wie der Schuppen in unserem Garten, stand vor dem Eingang. Ich blieb stehen und starrte an dem megalithisch wirkenden Gebäude empor. Die Doppeltür wurde von einer violetten Flamme erhellt, die sich am Türbogen entlangzog, und als ich darauf zutrat, züngelten die Flammen auf,

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