Schwestern des Mondes 04 - Hexenküsse-09.06.13
Thema zu bleiben. »Was sind das für Träume?«
»Sie kommen mehrmals pro Woche. Es sind vor allem Bilder von Dämonen - riesige Dämonen mit Hörnern, andere sind ganz aufgedunsen und plump. Wieder andere sehen aus wie wir - wie Menschen -, aber ich weiß, dass sie keine sind. Und sie treiben eine Wand aus Tod und Zerstörung vor sich her, reißen ganze Landschaften auf und hinterlassen Städte, die nur noch Ruinen sind. Sie zerstören den ganzen Planeten, und uns mit ihm. Die Regierung versucht sie aufzuhalten, indem sie Atomwaffen gegen sie einsetzt. Die ganze Welt geht in Flammen auf.«
Nun liefen ihm Tränen über die Wangen. »Ich bin so müde. Ich kann nicht mehr denken. Ich träume nur noch, und wenn ich versuche, wach zu bleiben, damit ich nicht träumen muss, pumpen sie mich mit Medikamenten voll, bis ich doch schlafe. Helft mir. Helft ihr mir bitte hier raus? Ich dachte, hier könnte ich mich verstecken, aber das kann ich nicht, und jetzt bringe ich sie nicht mehr dazu, mich zu entlassen. Meine Familie hält mich hier eingesperrt.«
Seine Stimme klang so kläglich, dass ich hätte weinen mögen. Hilflos starrte ich Morio an. Was konnten wir da tun? Seine Familie würde uns die Hölle heiß machen, wenn sie dahinter kamen, dass wir ihn befreit hatten.
Aber was, wenn er wegliefe - wenn er einfach verschwinden würde? Würde seine Familie großen Wirbel darum machen? Vermutlich würden sie die Klinik verklagen, aber in diesem Zustand wollten sie ihn eigentlich nicht zurückhaben, das war ziemlich offensichtlich.
»Wir werden alles versuchen, Benjamin«, sagte ich. »Das verspreche ich dir - wir werden es versuchen. Danke, dass du mit uns gesprochen hast.«
»Ihr seid keine Menschen. Ihr seid Engel... Schutzengel. Es ist mir egal, was die Leute über Feen sagen. Gott hat euch hergeschickt.« Benjamin schüttelte sich, als wäre er eben aufgewacht. »Ihr geht jetzt besser, ehe sie Verdacht schöpfen. Meine Familie bleibt nie länger als eine Viertelstunde.«
Wir standen auf und winkten die Wärter herbei. Einer begleitete uns zurück zum Hauptgebäude. Der andere brachte Benjamin in sein Zimmer. Als ich über die Schulter zurückschaute, sah ich, wie er sich mit hängendem Kopf und schlurfenden Schritten abführen ließ. Wir mussten eine Möglichkeit finden, ihm zu helfen.
Ich schaute noch einmal schnell bei Schwester Richards vorbei und machte ihr sehr charmant klar, dass mein Besuch Benjamin gutgetan hatte und es wohl besser wäre, seinen Eltern gegenüber nichts davon zu erwähnen, falls sie wieder einmal vorbeischauten. Wir verabschiedeten uns mit der Einladung, so bald wie möglich wiederzukommen.
Auf der Heimfahrt gingen wir seine Geschichte immer wieder durch.
Das Schwert - die Höhle - die Träume ... Meine Gedanken kehrten ständig zu Morganas und Titanias Worten über Aeval zurück. Konnte die Dunkle Königin die Frau sein, die Benjamin in dem Kristall eingeschlossen gesehen hatte?
Wir fuhren in nördlicher Richtung zurück nach Seattle und erreichten endlich Belles-Faire. Als ich an Tucker's Hähnchenstand vorbeikam, fuhr ich rechts ran. Tucker machte das beste Brathähnchen, das ich je gekostet hatte. Ich lud einen Rieseneimer mit vierundzwanzig Hühnchenteilen, eine Schüssel Coleslaw, einen Schokocremekuchen und eine große Schachtel Kekse in den Kofferraum. Dann hielt ich am Drive-in-Schalter von Starbucks und holte mir einen vierfachen Caramel Venti Mocha auf Eis. Morio starrte den riesigen Pappbecher an, auf dem ein rundes Sahnehäubchen prangte, und schüttelte den Kopf.
»Wie kannst du nur so viel essen? Du nimmst trotzdem nie zu.« Er hatte sich einen großen Kaffee mit Milch und Zucker bestellt.
»Ich bin nicht gerade dürr, das muss ich schon sagen. Aber unser Stoffwechsel läuft schneller als der von normalen Menschen, wegen des Anteils an Feenblut. Wir müssen viel essen.« Ich sog an dem Strohhalm und lächelte, als der köstliche Geschmack von karamellisiertem Zucker und leicht bitterem Kaffee eiskalt durch meine Kehle rann.
»Mm. Köstlich.«
Ich wechselte stirnrunzelnd die Spur. Der Berufsverkehr hatte eingesetzt, und wir saßen mitten in Belles-Faire im Feierabendstau fest. Ich musste möglichst bald in die linke Spur rüberkommen, um abzubiegen.
»Ich nehme an, du isst mit uns?«, fragte ich und schob mein Auto vorsichtig zwischen einen Hummer und ein Gefährt, das einmal ein VW-Bus gewesen war, aber jetzt nur noch wie ein jämmerlicher Überlebender der
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