Schwestern des Mondes 05 - Katzenkrallen-09.06.13
machen.«
Ich starrte die Tagesdecke auf meinem Bett an und rang mit dem Impuls, Menolly eine runterzuhauen. Ich behandelte Chase niemals, als sei er irgendwie unzureichend. Nie.
Doch dann hielt ich in Gedanken inne. Wir alle taten das. Nicht absichtlich, aber es ließ sich kaum vermeiden. Wir sagten ihm ständig, er solle uns bei einem Kampf aus dem Weg gehen, hinter uns bleiben oder gar nicht erst mitkommen, weil es zu gefährlich für ihn sei. Aber das war doch nur zu seinem eigenen Schutz, nicht deshalb, weil wir ihn für »schwächer« oder »schlechter« hielten als uns selbst. Nun wurde mir klar, dass er es vielleicht nicht so sah.
»O ihr Götter«, flüsterte ich. »Du hast recht. Es war mies von ihm, mich zu belügen, aber du hast recht. Vielleicht hat er sich Erika zugewandt, weil er sich zur Abwechslung mal wieder stark fühlen wollte.« Ich starrte auf die gemusterte Steppdecke. »Mutter hat sich Vater gegenüber nie so gefühlt. Oder... meinst du?«
Ich hatte von Mutter nie ein klagendes Wort gehört, weil Vater so stark und langlebig war. Ja, sie hatte die Chance bekommen, mit ihm zusammen viel älter zu werden, als es ihrer normalen Lebensspanne entsprochen hätte - und abgelehnt, weil sie glaubte, dass sie mit den vielen zusätzlichen Jahren nicht klarkommen würde.
Menolly setzte sich neben mich aufs Bett und nahm meine Hand. »Das können wir nicht wissen. Aber eines weiß ich: Mutter wollte nie zur Garde. Sie hat keine Karriere draußen angestrebt, sie wollte eine gute Ehefrau und Mutter sein. Heim und Herd waren ihr Reich, und Vater hat sich da nicht eingemischt, also standen sie nicht in Konkurrenz. Wir wissen nicht, ob sie im Bett Probleme hatten, aber die Dynamik ihrer Beziehung war völlig anders als bei dir und Chase. Was glaubst du denn, warum ich so gezögert habe, deine Beziehung gutzuheißen?«
»Ich dachte, du magst eben Chase nicht«, sagte ich kleinlaut.
»Das stimmte anfangs auch, aber nein, das ist nicht der eigentliche Grund. Er ist einer von den Guten. Jemand, den wir brauchen und dem wir vertrauen können. Aber er ist ein VBM, und das macht ihn sehr verletzlich. Wir setzen uns alle für die gleiche gefährliche Sache ein, und dadurch steht ihr beide auf demselben Spielfeld. Und das Kräfteverhältnis ist nicht ausgeglichen, Kätzchen. Das muss ich dir sagen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Selbst wenn es uns gelingt, ihn zu retten, wüsste ich nicht, wie ihr dieses Hindernis überwinden könntet. Außer er kann das trennen und nicht persönlich nehmen.«
Ich starrte trübsinnig zu Boden. Sie hatte recht. Wie hatte ich so blind sein können? Aber ich hatte keine Erfahrung mit Beziehungen. Ich war den Umgang mit diesen feinen Nuancen nicht gewohnt, die auftraten, wenn man sein Leben mit jemand anderem teilte. Diese ganze Sache mit der Liebe war neu für mich, und ich fragte mich, ob ich dafür geschaffen war. Ich war eine Katze, bei allen Göttern. Katzen waren bekanntermaßen Einzelgänger.
»Kätzchen? Alles klar?« Menolly stand auf und küsste mich auf die Stirn. »Wir sollten los.«
»Ob alles klar ist? Keine Ahnung«, antwortete ich leise. »Aber du hast recht. Wir haben etwas zu erledigen.« Ich zwang mich, aufzustehen, und sie drückte mir den Hosenanzug in die Hand. Chase zu retten hatte im Augenblick höchste Priorität.
»Muss ich diesen Mist wirklich anziehen?«
Sie lächelte mich an. »Ja, sei tapfer. Wenn du als mein kleiner Liebling da hingehen willst, musst du auch so aussehen, und glaub mir, Bluthuren tragen nur solchen Mist.« Ihr Gesichtsausdruck sagte mir, dass es keinen Zweck hätte, mich herauswinden zu wollen. »Zieh dich um.«
»Ich will echt nicht so rumlaufen.« Auf halbem Wege zu einer richtigen Jammer-Attacke setzte ich meinen besten Trauriges-Kätzchen-Blick auf, doch nicht einmal der konnte sie umstimmen.
»Pech. Was ist mit Stiefeln? Hast du hochhackige schwarze Stiefel? Stilettos, keine klobigen Bikerstiefel.« Menolly machte Anstalten, in meinem Kleiderschrank herumzuwühlen, also schob ich sie sacht beiseite, zog eine Schachtel vom obersten Brett und drückte sie ihr in die Hand.
»Camille hat mich dazu überredet, die zu kaufen. Sie sind schick, aber darin komme ich locker über eins neunzig. Willst du wirklich so einen großen kleinen Liebling? Du bist schließlich nicht mal eins sechzig groß.«
»Na und? Du bist groß, und ich bin ein Vampir. Ja, die sind gut«, sagte sie, als sie die Stiefel betrachtete. »Die sind wirklich
Weitere Kostenlose Bücher