Schwestern des Mondes 05 - Katzenkrallen-09.06.13
Knochen offen.« Besorgt drückte ich mich neben der Liege herum. »Sie wollte nicht eher gehen, bis wir da gründlich sauber gemacht hatten, aber ich habe sie dazu gebracht, sich wenigstens etwas zurückzuhalten.«
Sharah blickte zu mir auf. »Klingt ganz nach Camille«, sagte sie und wickelte dann den Verband ab. Die Wunde hatte sich inzwischen richtig entzündet, Eiter sickerte aus dem tiefen Krater. »Mutter Arachne, seht euch das an.«
»Wird sie es überstehen?«, fragte Smoky am Fußende der Liege, von wo aus er mit verschränkten Armen und nachdenklicher Miene zusah. Morio stand neben ihm.
»Sie ist vermutlich vor Schmerz in Ohnmacht gefallen. Der muss unerträglich sein, wenn ich mir die Wunde so ansehe. Wisst ihr eigentlich, dass die Zwerge oben im Nebelvuori-Gebirge die Säure aus Höllenhund-Blut benutzen, um Verzierungen in ihre magischen Schwerter zu ätzen?« Sie blickte kurz zu uns auf. »Sie ist dort sehr begehrt. Ihr hättet ein kleines Vermögen machen können, wenn es euch gelungen wäre, das Wesen auszubluten, ehe es verschwand.«
»Wir haben in dem Moment eher nicht an Geld gedacht«, sagte ich.
Camille bewegte sich, als Sharah die Wunde reinigte, indem sie die verletzte Hand in eine Schüssel mit einer schäumenden Flüssigkeit tauchte. Weiße Rauchfähnchen kräuselten sich in die Luft, als das Zeug um die Wunde herum zu blubbern begann.
»Verstehe ich sehr gut«, sagte sie. »Die Infektion ist begrenzt - nur oberflächlich. Ich glaube nicht, dass sie sich so schnell in ihrem Blutkreislauf hat ausbreiten können. Camille hat verdammtes Glück gehabt«, fügte sie hinzu und sah mich an. »Eine halbe Stunde später, und sie hätte mit einem Fuß schon im Grab gestanden. Und das wäre ein entsetzlich schmerzhafter Tod geworden.«
Plötzlich fühlte ich mich so schwach, dass ich mich mit dem Rücken an die Wand sinken ließ. Ich war gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass die Wunde tödlich sein könnte. Schmerzhaft, ja. Entstellend vielleicht, falls es eine große Narbe gab. Mit tödlich hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Smoky wurde leichenblass, und Morio sog mit einem scharfen Zischen den Atem ein.
Während Sharah das tiefe Loch in Camilles Hand untersuchte, regte sich Camille und stöhnte leise. Sie öffnete blinzelnd die Augen und sah sich verwirrt um.
»Alles in Ordnung«, sagte Sharah. »Du hast vor Schmerz das Bewusstsein verloren, aber das wird wieder. Wenn du so freundlich wärst, deinen besorgten Ehemännern und deiner Schwester zu sagen, sie sollten sich verziehen... Ich kann mich wirklich viel besser um dich kümmern, wenn sie mir nicht ständig über die Schulter gucken.« Sie lächelte uns an, wies aber mit einem Nicken zur Tür. »Na los. Sie ist bald wieder auf den Beinen und wird nur eine Zeitlang einen Verband brauchen. Es kann sein, dass eine hässliche Narbe zurückbleibt, aber Camille wird es überstehen.«
Ehe ich an meine Schwester herankommen konnte, schob Smoky sich an der Elfe vorbei, beugte sich vor und küsste Camille lang und zärtlich auf den Mund. »Ich warte gleich hier draußen«, sagte er. Morio wollte sich nicht ausstechen lassen und tat es ihm gleich.
Als die beiden widerstrebend zur Tür gingen, strich ich Camille das Haar aus dem Gesicht und küsste sie auf die Stirn. »Erhol dich gut. Ich mache mich auf die Suche nach Chase. Bin bald wieder da.« Auf dem Weg zur Tür fügte ich noch hinzu: »Wenn sie Ärger macht, Sharah, sag mir ruhig Bescheid.«
Sharah lachte. »Kein Problem. Geh du nur. Ich glaube, Chase ist in seinem Büro.«
Mit einem letzten Blick auf Camille, die ziemlich weggetreten aussah, ging ich zur Tür hinaus und zurück zum Wartebereich. Smoky und Morio saßen auf einem dieser unbequemen, zu niedrigen Sofas, die man wohl in jedem Krankenhaus findet. Sie unterhielten sich im Flüsterton. Ich reckte den Daumen zum Gruß, eilte an ihnen vorbei und durch das Labyrinth aus Korridoren zu Chases Büro.
Die Gewissheit, dass es Camille bald wieder gutgehen würde, hob meine Laune. Ich fühlte mich einer langen Unterhaltung mit Chase gewachsen. Was auch immer ihm zu schaffen machte, wir würden gemeinsam da durchkommen. Ich hatte noch nie eine Beziehung gehabt, außer in Katzengestalt mit anderen Katzen. Aber die sind nun einmal von völlig anderer Natur. Wenn man bedachte, dass ich zum ersten Mal mit einem VBM zusammen war, schlug ich mich ganz gut, fand ich. Allerdings wusste ich, dass Menolly uns nicht die geringste Chance gab.
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