Schwestern des Mondes 05 - Katzenkrallen-09.06.13
Karotten aufaß.
Morio ging neben Iris her, während Smoky den Wald im Auge behielt und dafür sorgte, dass uns nichts Hässliches überraschte. Der Vormittag verstrich, es wurde Mittag, und die Sonne schien, wenn auch nicht sonderlich warm. Während wir dem Summen der Insekten lauschten, fiel mir auf, dass kein unablässiger, dumpfer Verkehrslärm zu hören war, oder plärrende Fernseher und Radios, oder auch nur das stete Brummen der elektrischen Leitungen.
»So eine Ruhe habe ich nicht mehr gehört, seit... seit wir von hier weggezogen sind.« Ich lehnte mich zurück und genoss die Stille.
Camille nickte. »Ich weiß. Sie fehlt mir. Aber ich würde auch Dinge aus der Erdwelt vermissen. Ich fürchte, wenn ich mich ein für alle Mal entscheiden müsste, wo ich leben will , würde mir das sehr schwerfallen. Natürlich würde ich mich wahrscheinlich doch für die Anderwelt entscheiden... aber... «
»Aber Mutters Heimatwelt hat auf dich abgefärbt«, sagte ich und lächelte schief. »Auf mich auch, glaube ich. Und Menolly mag die dunklen Straßen der Stadt.« Ich stupste ein Steinchen mit dem Fuß an und sah zu, wie es das Ufer hinunter in den Weiher kullerte.
»Glaubst du, dass wir je wieder hier leben werden? Dauerhaft, meine ich?«
Camille runzelte die Stirn. Sie starrte aufs Wasser und atmete so leicht, dass ich das Auf und Ab ihrer Brust kaum erkennen konnte. Schließlich sagte sie: »Ich weiß es nicht, Kätzchen. Ganz ehrlich. Ich weiß nicht, ob überhaupt eine von uns den bevorstehenden Krieg überleben wird. Wir sind schon ein paarmal nur knapp davongekommen, und wer weiß, ob nicht eines Tages... ein kleiner Fehler, und...« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich finde, wir sollten einfach versuchen, jeden Tag zu nehmen, wie er eben ist.«
»Einen Tag nach dem anderen, was? Ich wusste gar nicht, dass du so philosophisch bist«, entgegnete ich lächelnd.
Sie blinzelte erstaunt. »Vor einem Jahr war ich das auch noch nicht. Aber nach allem, was passiert ist... Heute freuen wir uns darüber, zu Hause in der Anderwelt zu sein, selbst wenn wir nur den Finstrinwyrd zu sehen bekommen. Morgen werden wir es genießen, wieder zu Hause bei Maggie zu sein, zurück in der Stadt. Ich wüsste nicht, wie wir uns sonst davon abhalten könnten, wahnsinnig zu werden.«
Iris winkte mir von einem Fleckchen dichtem Gras aus zu, etwa drei Meter links von uns dicht am Ufer. »Ich habe es gefunden! Delilah, komm her.«
Ich stand langsam auf und wischte mir die Hände am Hosenboden ab. »Was macht deine Hand? Fühlst du dich auch gut? Noch nicht erschöpft oder so?«, fragte ich, als ich Camille die Hand hinstreckte, um ihr aufzuhelfen.
Sie sprang allein auf und schüttelte den Kopf. »Sie brennt, aber die Wunde heilt gut. Ich werde schon wieder, Kätzchen. Mach dir um mich keine Sorgen. Sharah versteht ihr Handwerk. Jetzt geh zu Iris.«
Sie schloss sich Smokys Wache an, und ich ging zögerlich hinüber zu Iris, die ein Büschel Wildgras geteilt hatte. Sie deutete auf eine große Pflanze. Die Blätter erinnerten vage an eine Geranie - gezackt und behaart, nicht glänzend. Der Geruch, der von den winzigen violetten Blüten mit spitzen Kelchblättern aufstieg, war moschusartig, schwer und drückend. Die Pflanze war fast einen Meter hoch und reichte Iris beinahe bis zum Kinn.
»Das ist Pantheris phir? Sieht aus wie eine Rosengeranie. Siobhan hat sie bei sich auf dem Balkon.« Ich kniete mich neben die Pflanze und untersuchte sie. Die Wurzeln sahen dick und etwas klebrig aus, der Stengel war bis etwa dreißig Zentimeter über dem Boden verholzt, und ich hatte das Gefühl, dass auch der Rest holzig und hart werden würde, wenn die Pflanze weiter wuchs.
»Ja, das ist Pantheris phir. Pantherzahn in der Sprache der nördlichen Elfen. Das ist eine sehr mächtige Pflanze, Delilah, und du kannst sie nicht im Ganzen nehmen, denn dafür würde sie dich bestrafen. Du musst mehrere Stecklinge abschneiden - ich bin sicher, dass ich mindestens einen dazu bringen kann, Wurzeln auszutreiben -, aber du musst eine Gegengabe zurücklassen.« Sie holte eine Kelle und eine Gartenschere aus ihrem Rucksack. »Ich kann das nicht für dich machen. Dir wurde befohlen, das Kraut selbst zu ernten, also musst du es tun.«
»Wie soll ich das machen, ohne die Pflanze oder die Stecklinge zu beschädigen?« Ich starrte das Kraut an und wusste nicht recht, wie ich vorgehen sollte.
»Du musst ihr dein Geschenk darbringen, und dann werde ich dir zeigen, wo
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