Schwestern des Mondes 05 - Katzenkrallen-09.06.13
goss sich einen Scotch ein. »Möchten Sie etwas trinken?«, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf.
»Wie Sie wollen. Wenn ich Ihre Fragen beantwortet habe, werden Sie sich zum Teufel scheren und nie wieder hier auftauchen. Ich habe Chase gesagt, dass er mit Ihnen Schluss machen soll, als ich von Ihnen erfahren habe, aber er wollte ja nicht auf mich hören. Also machen Sie mich nicht allein für alles verantwortlich, was passiert ist«, setzte sie hinzu und warf mir mit schmalen Augen einen Blick zu, der sowohl verschlagen als auch argwöhnisch hätte sein können.
»Sie haben sich dafür entschieden, sich mit ihm zu treffen, obwohl Sie wussten, dass er mit mir zusammen ist. Sie sind also nicht ganz unschuldig. Aber darum geht es jetzt nicht.
Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?« Ich seufzte tief. Ihre ruhige, gesammelte Art setzte mir zu. Ich war nicht gern hysterisch. Jedenfalls wollte ich nicht diejenige sein, die hysterisch wurde, während sie sich völlig im Griff hatte.
»Setzen Sie sich doch«, sagte sie und nippte an ihrem Drink.
Ich ließ mich vorsichtig auf der Sofakante nieder, während sie sich in den Sessel setzte, ein Bein überschlug und rastlos den linken Slipper von der großen Zehe baumeln ließ.
»Chase wird also vermisst? Tja, ich habe keine Ahnung, wo er ist. Wir haben uns gestern gestritten, beim Mittagessen. Er ist zur Tür gegangen, und ich habe ihm gesagt, wenn er mich am Abend nicht wie geplant zum Tanzen ausführen würde, brauchte er sich bei mir nicht mehr blicken zu lassen. Ich habe eine Entschuldigung von ihm erwartet, und ich wollte gar nichts von ihm hören, ehe er bereit war, in aufrichtiger Reue zu sagen ›Es tut mir leid‹.« Sie trank noch einen Schluck. »Ich habe nichts mehr von ihm gehört, also bin ich davon ausgegangen, dass er immer noch sauer ist. Da würde ich den Teufel tun und ihn als Erste anrufen.«
Ich schluckte einen Teil meines Zorns hinunter. Sie klang genauso wütend wie ich.
»Worüber haben Sie sich gestritten?«, zwang ich mich zu fragen.
Sie lächelte mich schwach an. Erst hielt ich das Lächeln für höhnisch, doch dann erkannte ich an ihrem Tonfall , dass es ein verschwörerisches Lächeln unter Frauen war -
nach dem Motto: Wir wissen doch alle, was Männer für Schweine sein können. »Möchten Sie das wirklich wissen?«
Wollte ich nicht, aber da Chase verschwunden war... Ich seufzte. »Vielleicht hilft uns das, ihn zu finden.«
Erika schnaubte laut. »Tja, das bezweifle ich, aber was soll's. Sie sind vermutlich sowieso schon außer sich vor Freude darüber, dass wir uns gestritten haben. Auch egal. Chase wollte eine offene Beziehung, mit Ihnen. Ich habe gesagt, vergiss es. Da ist er wütend geworden.« Sie stand auf, ging langsam zum Fenster und schaute auf den Parkplatz hinaus. »Er gibt mir die Schuld an diesem ganzen Schlamassel.«
Ich blinzelte. Chase wünschte sich eine offene Beziehung. Das war ja etwas völlig Neues.
Chase war strikt dagegen gewesen, als ich es gewagt hatte, diese Idee wegen Zachary anzusprechen. Hatte er es sich anders überlegt? »Ich möchte noch etwas wissen. Hat Chase Ihnen gesagt, dass er mit mir zusammen ist, als Sie nach Seattle gekommen sind?«
Sie rührte sich nicht und drehte sich auch nicht um, aber sie änderte ganz leicht ihre Haltung, und die Schultern sanken ein wenig herab. Ich kannte die Antwort. »Er hat Ihnen nichts von mir gesagt, oder? Sie wussten zuerst gar nichts davon.«
»Schön«, sagte sie und leerte ihr Glas. »Ich wusste anfangs nichts von Ihnen. Chase hat mir nichts gesagt.« Sie drehte sich um und sah nun viel weniger selbstbewusst aus. »Ich habe erst vor zwei Wochen von Ihnen erfahren, als ich ihn im Büro besuchen wollte. Er war gerade zum Mittagessen gegangen. Um mir die Zeit zu vertreiben, habe ich mich mit dieser Elfe unterhalten - Sharah? Jedenfalls hat sie mir erzählt, dass Sie seine Freundin wären. Sie wusste nicht, dass zwischen Chase und mir was lief. Als er zurückkam, habe ich ihm die Hölle heiß gemacht. Er hat behauptet, es liefe nicht so gut mit Ihnen und die Beziehung hätte gerade Pause. Dann sollte er eben ganz Schluss machen, habe ich gesagt.
Mir ist erst diese Woche klargeworden, dass er da stark übertrieben hat. Ich hätte damit rechnen müssen, dass er so etwas tut, verdammt.«
Tränen stiegen ihr in die Augen, und obwohl ich das nicht wollte, tat sie mir leid. »Wie meinen Sie das?«
»Weil wir uns genau deswegen damals getrennt haben. Und jetzt will
Weitere Kostenlose Bücher