Schwestern des Mondes 05 - Katzenkrallen-09.06.13
Chase ihr geschenkt hatte -und ihre Bauklötze hatte.
»Dein Misstrauen ist berechtigt. Die führen nichts Gutes im Schilde. Es wäre mir lieber, Camille hätte sich nicht mit ihnen eingelassen, aber wenn eine der Ewigen Alten einem einen Befehl gibt, gehorcht man wohl besser.« Der Drache schlüpfte in seinen langen weißen Trenchcoat und ging zur Tür hinaus.
Er hatte recht, was die Ewigen Alten anging, dachte ich. Keiner von uns gefiel es, worauf Camille sich da eingelassen hatte. Morgana gehörte zwar theoretisch zu unserem Stammbaum, aber wir alle wussten, dass Blutsbande allein noch keine Loyalität bedeuteten. Nur war Camille gar nichts anderes übriggeblieben. Dafür hatte Großmutter Kojote gesorgt.
Allerdings taten die neuen Feenköniginnen uns einen großen Gefallen: Sie befreiten uns teilweise vom Druck des öffentlichen Interesses. Seit wir Feen diese Welt offiziell wieder betreten hatten, betrachtete man uns durch mystisch verzerrte Brillen, und wir wurden ebenso verachtet wie verehrt.
Doch nun waren die Feen der Erdwelt aus der Versenkung aufgetaucht, und das glich einiges aus. Aber ich wollte mich nicht zu früh freuen. Wenn die VBM erst merkten, dass die Feenköniginnen nicht vorhatten, sich mit ihnen zu verbrüdern und lustige Partys zu feiern, konnte die Stimmung blitzartig umschlagen. Und die drei Königinnen waren nun einmal alles andere als jovial.
Ich kritzelte eine Nachricht für Iris, die mit der Wäsche beschäftigt war, küsste Maggie auf die Wange und schnappte mir meinen Schlüsselbund. Als ich in den Jeep stieg, kehrten meine Gedanken zu Chase zurück. Ich glaubte nicht daran, dass er verschwunden war. Vermutlich war er mit Erika durchgebrannt oder hatte etwas ähnlich Bescheuertes angestellt. Die Frage, warum mir das trotzdem so zusetzte, geisterte durch meinen Hinterkopf. Immerhin hatte ich gerade eine unglaubliche Nacht mit Zach verbracht. Und ich würde Chase davon erzählen. Nicht weil ich es ihm unter die Nase reiben wollte, sondern um der Offenheit willen. Vielleicht sollte ich Chase doch nicht so hart verurteilen.
Andererseits, widersprach eine weitere leise Stimme, störte ich mich ja nicht nur an seinen Lügen oder vielmehr daran, dass er es mir verschwiegen hatte. Chase hatte sich auch angestellt, weil ich rein freundschaftlichen Kontakt zu Zach gehalten hatte. Also hatte ich mich auf Chase konzentriert und ihm meine ganze Aufmerksamkeit geschenkt.
Und dann hatte er es mit einer anderen getrieben.
Ich war gründlich verwirrt, und mir wurde abwechselnd heiß und kalt, während ich den Freeway bis zu der Ausfahrt entlang raste, die zu seinem Apartmenthaus im Süden von Seattle führte. Er wohnte genau genommen schon fast in Renton, obwohl die Postleitzahl noch zur Stadt selbst gehörte.
Als ich auf den Parkplatz fuhr, sah ich mich nach seinem neuen SUV um, und tatsächlich, da stand er auf seinem festen Platz. Chase war also entweder zu Hause und ging nicht ans Telefon, oder er war mit jemand anderem unterwegs - natürlich Erika. Oder, fügte eine leise Stimme hinzu, vielleicht war er ja zu Hause, aber nicht in der Lage, ans Telefon zu gehen. Ich sprang aus dem Jeep und nahm zwei Treppenstufen auf einmal, bis ich vor seiner Wohnung stand. Nach zweimal Anklopfen zückte ich meinen Schlüssel. Ich starrte darauf hinab und fragte mich, ob ich gerade zum letzten Mal mit meinem eigenen Schlüssel seine Wohnung betrat. Wenn wir uns trennten, würde ich ihn zurückgeben müssen, und der Gedanke machte mich unerklärlich traurig.
Aber als ich aufschließen wollte, stellte ich fest, dass die Tür nicht verriegelt war. Ich schob sie auf und trat vorsichtig über die Schwelle. Alle Lichter brannten, obwohl schon heller Tag war. Chases Wohnung war sehr sonnig, und er achtete penibel darauf, das Licht auszuschalten, wenn er einen Raum verließ. Schlechtes Zeichen Nummer eins.
Das schlechte Zeichen Nummer zwei war schon auf den ersten Blick unübersehbar. Das Wohnzimmer sah aus, als wäre ein Tornado hindurchgefegt. Bücher lagen überall verstreut, alles, was auf dem Schreibtisch gelegen hatte, breitete sich nun auf dem Boden aus: Stifte, Papier und so weiter. Sein Laptop war aufgeklappt und blinkte. Irgendwie hatte er den Sturz überlebt. Das Herz schlug mir bis zum Hals, während ich mir einen Weg durch das Chaos bahnte. Was zum Teufel war hier passiert?
In wachsender Panik lief ich zum Schlafzimmer. Keine Anzeichen eines Kampfes oder hastig gepackter Koffer - der
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