Schwestern des Mondes 07 - Hexenzorn-09.06.13
waren, und von Elfenfrauen, so durchscheinend, dass sie viel älter sein mussten als die meisten Feen, denen ich je begegnet war. Sie nahmen keine Notiz von uns und sahen uns nicht an, sondern spazierten nur ihre angestammten Pfade entlang. Ich fragte mich, weshalb sie nicht zu ihren Ahnen heimgekehrt waren. Was fesselte sie an die Welt der Sterblichen?
Als Trenyth zurückkehrte, seufzte ich tief. »Wer sind sie? Die Geister, die in diesem Hügel spuken? Warum finden sie keine Ruhe?«
Verblüfft blickte er von mir zu Morio und dann zu Iris. »Ihr könnt sie also sehen? Das hätte mir klar sein müssen, da vor allem ihr beide mit so übler Magie herumspielt.« Er nickte Morio und mir zu und wandte sich dann an Iris. »Und Ihr spürt sie selbstverständlich, Priesterin Ar'jant d'tel.«
Ihre Miene verdüsterte sich. »Eine Priesterin bin ich, ja. Aber dieser Titel wurde mir vor langer Zeit aberkannt. Ich habe nicht das Recht, ihn zu führen«, sagte sie mit gepresster Stimme. »Bitte sprecht mich nie mehr so an.«
Ar'jant d'tel... Ar'jant d'tel... Das Wort kam mir bekannt vor, und ich versuchte, mich an meinen Dialektunterricht zu erinnern. Und dann fiel es mir ein. Ar'jant d'tel war ein Wort aus der Alten Sprache und bedeutete »von den Göttern erwählt«. Damit bezeichnete man jemanden, der sich allerhöchste Ehre erworben hatte. Ich warf einen Seitenblick auf Iris, doch ihr Gesicht war bleich, und sie presste die Lippen fest zusammen.
Trenyth sah sie noch einen Moment lang mit sanftem Blick an. Dann legte er ihr eine Hand auf die Schulter und sagte leise: »Ich wollte Euch nicht verletzen. Viele Wege versperrt der Zufall, andere das Schicksal. Und manche versperren die Götter selbst aus Gründen, die wir nicht ahnen können. Seid beruhigt, Lady Iris. Ihr habt nicht getan, wessen man Euch beschuldigt hat.« Auf ihren verblüfften Blick hin fügte er hinzu: »In der Vergangenheit zu lesen ist eine meiner Gaben. Und jetzt kommt.« Er nickte Morio und mir zu. »Königin Asteria erwartet euch im Palast. Sie hat mir versichert, dass es nicht lange dauern wird.«
Obwohl ich nichts lieber getan hätte, als ihn in irgendeine Ecke zu treiben und ihn nach Iris auszufragen, schaffte ich es, den Mund zu halten. Wir folgten ihm, und Iris ging uns voran, mit gestrafften Schultern und nun wieder undurchdringlicher Miene.
Die Grabhügel lagen am Rand von Elqaneve. Trenyth und zwei Wachen führten uns durch die gepflasterten Straßen. Es war Abend, und wie in der Erdwelt nahte auch hier der Herbst. Die Luft war frisch und kühl, und ohne die Lichtverschmutzung strahlten die Sterne wie Brillanten. In den Blumenkästen vor den Häusern und Läden waren die Frühlings- und Herbstblüten Kräutern gewichen, die man bald ernten und für den Winter trocknen würde. Weicher Lichtschimmer fiel durch die Vorhänge vor den Fenstern.
Die wenigen Elfen, die noch unterwegs waren, achteten kaum auf uns. Die meisten verneigten sich nur im Vorübergehen vor Trenyth.
Als ich tief die klare, saubere Luft einatmete, wurde mir bewusst, wie froh ich war, wieder zu Hause zu sein. Elqaneve mochte die Stadt der Elfen sein, aber sie gehörte zur Anderwelt. Doch sosehr mir die Vorstellung gefiel, hierzubleiben, wusste ich, dass das nicht so einfach wäre. Ich fühlte mich jetzt auch erdseits zu Hause und von beiden Seiten meiner Abstammung angezogen.
Als könnte Morio meine widerstreitenden Gefühle spüren, schloss er zu mir auf, nahm meine Hand und hielt sie fest, während wir weitergingen. Aber seine Berührung brachte mir nur noch mehr Verwirrung. Da meine Seele mit seiner und Smokys verbunden war, mussten beide in meiner Nähe bleiben. Ich konnte mich nur an einem Ort niederlassen, wo auch sie sich wohl fühlten. Frustriert schob ich dieses geistige Gejammer beiseite. Solange Schattenschwinge uns bedrohte, lagen sowieso alle Gedanken an die Zukunft auf Eis.
Vor uns schimmerte die Alabasterfassade von Königin Asterias Palast im Abendlicht. Die Steine stammten aus dem Tygeria-Gebirge westlich von hier. Der Palast war von Gärten und uralten Eichenhainen umgeben und viel schlichter gestaltet als der in Y'Elestrial. Trotzdem strahlte er mehr Macht aus.
Die Elfenkönigin gehörte zu den ältesten Herrschern in Y'Eírialiastar - der Anderwelt -, und das ganze königliche Anwesen war von ihrer Präsenz durchdrungen, als sei sie selbst ein Teil des Landes, auf dem es stand. Vielleicht war es auch so. Vielleicht war die Königin nach diesen
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