Schwestern des Mondes 07 - Hexenzorn-09.06.13
Ich streckte die Hand nach der Zeltbahn aus. Sie fühlte sich unter meinen Fingern weich an und kribbelte wie mit einem lautlosen Summen. »In diesen Stoff ist Magie eingewoben.«
»Meinst du wirklich?« Trillian zog die Augenbrauen hoch. »Dies sind die Wände des Palastes. Im Gegensatz zu Stein und Mörtel oder Marmor ist Stoff nicht ganz so wirkungsvoll, wenn es darum geht, Kanonenkugeln oder Feuerbälle aufzuhalten. Natürlich ist der Stoff verzaubert. Der Palast besteht aus diesen Zelten, und Schutzzauber sind in jeden Faden und jeden Stich eingearbeitet.«
Und dann erreichten wir die Zelttür zum Thronsaal. Trillian trat beiseite - er würde draußen warten, während einer der Dahns-Gardisten uns hineinführte. Wir folgten dem Einhorn, das gefährlich groß und stark aussah, einen gepflasterten Weg durch die Mitte entlang. Der Boden links und rechts war aus weichem Moos, hier und da standen steinerne Bänke verteilt. Die Wände des Zeltes waren etwa sieben Meter hoch und wurden von einer komplizierten Lattenkonstruktion gestützt. Ich fragte mich, wie die Einhörner sie errichtet haben mochten.
Dann sah ich mit eigenen Augen, wie das funktionierte. Am Rand neben Abspannleinen und Gegengewichten standen mehrere große Zentauren. Männliche Zentauren. Sehr gut ausgestattete Zentauren. Errötend wandte ich den Blick ab. Ich brauchte nicht noch mehr Futter für meine Phantasie - davon hatte ich in der Realität wirklich genug, aber Mann, Mann, Mann, die weiblichen Zentauren konnten sich wirklich glücklich schätzen.
Wir folgten der Wache den Pfad entlang zu einem hohen, grasbewachsenen Hügel in dem Zelt. Auf dem Hügel ruhte der König der Dahns-Einhörner. Ich bemerkte die Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem Sohn, und als ich in einen tiefen Knicks sank, erregte ein Wiehern links von mir meine Aufmerksamkeit. Ich hob den Kopf und sah Feddrah-Dahns den Zeltsaal betreten. Er trabte zu uns herüber, und ohne darüber nachzudenken, sprang ich auf und rannte ihm lachend entgegen.
»Feddrah-Dahns! Ich freue mich so, Euch wiederzusehen!« Ich schlang die Arme um seinen Hals, und sein samtiges Fell kitzelte meine Haut.
Er schnaubte und lachte dann leise. »Lady Camille, ich bin ebenfalls sehr erfreut. Wie geht es Euch und Euren Schwestern?«
Plötzlich merkte ich, dass ich dem König den Rücken zugewandt hatte. Hastig wich ich ein paar Schritte zurück und wirbelte zu dem größeren Einhorn herum. Feddrah-Dahns war offensichtlich noch nicht ganz ausgewachsen. Sein Vater hingegen schon, und er musterte mich mit amüsiertem Blick.
»Du hattest ganz recht«, sagte König Upala-Dahns zu seinem Sohn. »Sie ist impulsiv und unberechenbar. Aber auch sehr charmant, genau wie du sagtest.«
»Ich bitte um Verzeihung«, stammelte ich. »Ich wollte Euch gegenüber nicht respektlos sein. Ich habe mich nur so gefreut, Euren Sohn wiederzusehen ...«
»Das macht nichts, es ist ja niemand zu Schaden gekommen. Nicht einmal mein Stolz«, sagte der König augenzwinkernd auf Melosealfôr. Dann bezog er mit einem Blick auch Trillian und Morio in die Unterhaltung ein und wechselte in die gemeine Sprache. »Wir müssen über das Horn des Schwarzen Tiers sprechen. Und über die Magie, welche Ihr von diesem jungen Fuchs lernt.«
Morio blickte verwirrt drein.
»Verzeihung, Euer Hoheit, aber Morio beherrscht keine der Anderwelt-Sprachen. Sprecht Ihr zufällig Englisch?« Ich konnte mir nicht vorstellen, weshalb der Einhornkönig sich die Mühe hätte machen sollen, eine Erdwelt-Sprache zu erlernen, aber einen Schuss ins Blaue war es wert.
König Upala-Dahns wieherte leise. »Ja, ein wenig. William Butler hat uns darin unterrichtet, als er einige Jahre lang bei uns weilte.«
Ich lächelte. »Ja, Feddrah-Dahns und Mistelzweig haben mir von ihm erzählt, als sie uns erdseits besucht haben.« Ich blickte mich um und fügte hinzu: »Da wir gerade von Pixies sprechen, ist Mistelzweig auch hier? Ich würde ihm gern guten Tag sagen.« Er war wohl der einzige Pixie, den ich jemals mögen würde, und Feddrah-Dahns' Diener.
»Er erledigt gerade einen Botengang, doch er sollte bald zurück sein.« Als der König zu Englisch wechselte, nahm seine Sprache einen archaischen Klang an. »Wir haben nicht viel Zeit, also werde ich mich kurz fassen.« Er machte eine kurze Pause. »Könnt Ihr mich jetzt verstehen?«, fragte er Morio.
Morio nickte. »Sonnenklar.«
»Sonne? Was soll an der Sonne klar sein?« Upala-Dahns schüttelte schnaubend den
Weitere Kostenlose Bücher