Schwestern des Mondes 07 - Hexenzorn-09.06.13
auf das Geld angewiesen, liebte seine Arbeit, und er war höflich und sehr unterhaltsam.
»Hallo, Henry, was gibt's?« Ich ging davon aus, dass er mich über das Geschäft auf dem Laufenden halten wollte.
»Meine Mutter ist gestorben, Camille.« Seine Stimme klang nicht erstickt oder verweint, als er das sagte - seine Mutter war ein richtiger alter Drachen gewesen, der sein Leben beherrscht und ihn in seinem ewigen Junggesellen-Status eingefroren hatte. Doch ich hörte eine gewisse Melancholie heraus.
»Das tut mir leid. Du möchtest dir sicher eine Zeitlang freinehmen, damit du alles regeln kannst?«
Überraschung Nummer zwei.
»Nein danke. Mutter hat sich eine schlichte Bestattung gewünscht, und um ehrlich zu sein, hatte sie keine Freundinnen, also brauche ich niemanden zu benachrichtigen. Die Beerdigung war heute Morgen. Der Notar wird sich um das Testament kümmern, aber das ist nicht weiter kompliziert. Meine Mutter war eine wohlhabende Frau, weißt du?«
»Nein, das wusste ich nicht.«
»Darüber wollte ich auch mit dir sprechen. Ich bin ihr einziger Erbe. Bald bin ich ein reicher Mann, Camille. Sehr reich. Ich habe nichts, was meine Zeit in Anspruch nimmt, und ich reise nicht gern. Ich habe nicht vor, Abenteuer zu erleben und die Welt zu entdecken. Also dachte ich mir, ich könnte das Geschäft neben deinem kaufen. Du weißt schon, die Bäckerei, die schließen musste.«
»M-hm«, murmelte ich und fragte mich, worauf er hinauswollte. Außerdem wurde mir im Evakostüm allmählich kalt. Der erste Stock war zugig, und wir waren noch nicht dazu gekommen, das Haus vernünftig isolieren zu lassen.
»Ich habe daran gedacht, ein Café daraus zu machen und jemanden anzustellen, der es führt. Dann könnte ich mich mehr darauf konzentrieren, dir in der Buchhandlung zu helfen. Wir könnten eine Tür einbauen - die beiden Läden richtig miteinander verbinden. Das dürfte dir auch mehr Kundschaft bringen. Ein bisschen so, als würde ich mich in dein Geschäft einkaufen, aber ohne dass mir etwas davon gehört.«
Ich fand es rührend, dass ihm die Buchhandlung so wichtig war und er mir helfen wollte, den Absatz zu steigern. Also sagte ich: »Das ist eine wunderbare Idee. Wir unterhalten uns in ein paar Tagen in Ruhe darüber, aber ich bin sehr interessiert. Bist du sicher, dass du nicht eine Weile freihaben willst?«
»Ja«, sagte er leise. »Die Arbeit tut mir gut. Meine Mutter hatte ein langes Leben. Und du weißt ja, wie sie war. Ich will nicht den Heuchler spielen. Sie war herrisch und scharfzüngig. Natürlich wird sie mir fehlen, aber sie hat mir nie Raum gegeben, sie zu lieben. Sie hat alle Menschen von sich weggestoßen.«
»Okay. Na ja, wenn du meinst, dass du heute Nachmittag arbeiten könntest - das wäre toll. Iris und ich sind gerade erst aus der Anderwelt zurückgekommen. Wir mussten etwas mit meinem Vater besprechen. Deshalb sind wir beide ziemlich müde.«
Er lachte. »Das ist allerdings ein Abenteuer, das ich gern mal erleben würde. Versprichst du mir, dass wir irgendwann mal einen Ausflug in deine Heimat unternehmen?«
Ich lächelte. Henry war ein Schatz, und auf seine eigentümliche, sanfte Art brachte er Vornehmheit und gute Manieren in unser Leben. »Henry, ich verspreche dir, ich werde dafür sorgen, dass du Y’Eírialiastar besuchen kannst. Es würde dir dort sehr gefallen.«
Als ich auflegte, dachte ich mir: Wenn es irgendjemand verdient hatte, dass seine Träume wahr wurden, dann war das Henry. Allerdings hatte er seinen Traum, eines Tages Iris zu heiraten, schon begraben müssen. Unser Henry litt an einem üblen Fall von unerwiderter Liebe, denn Iris mochte ihn zwar sehr, aber es hat noch nie funktioniert, Liebe erzwingen zu wollen, wo sie nicht von sich aus erblüht.
Ich föhnte mir die Haare, schlüpfte in saubere, bequeme Klamotten und ging hinunter, um nachzusehen, ob die Jungs daran gedacht hatten, mir ein Sandwich aufzuheben, oder ob ich die Krümel von ihren Tellern würde picken müssen.
Als ich unten ankam, war Chase auch da. Er hatte einen Arm um Delilah gelegt, und die beiden hatten es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Trillian und Morio blickten auf, als ich eintrat. Ich beugte mich vor und küsste Trillian auf den Mund, dann Morio, aber zwischen sie setzen wollte ich mich nicht.
»Ihr müsst beide dringend duschen. Ich werde nicht mit euch kuscheln, wo ich jetzt so quietschsauber bin.«
Trillian brummelte vor sich hin, doch dann lachte er. »Ich lege mich
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