Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
»Kann ich dir etwas sagen, ohne dass du es Delilah erzählst?«
»Warum wollen mir in letzter Zeit alle möglichen Leute unbedingt ihre Geheimnisse aufdrängen? Du kannst es mir erzählen, aber ich verspreche dir nicht, dass ich den Mund halten werde. Nicht, wenn ich glaube, dass ihr das schaden könnte.« Ich hatte es allmählich satt, die Kummertante zu spielen. Nicht meine Art.
»Sie wird es irgendwann sowieso erfahren. Ich … ich habe ein Date mit Sharah. Ich bin noch nicht bereit für eine feste Freundin. Ich weiß nicht, ob ich das je wieder sein werde. Aber ich bin einsam, und sie hat einen Film erwähnt, den sie gern sehen wollte, und ich auch, und wir gehen ja nur ins Kino, ich werde nicht gleich mit ihr schlafen oder so …« Verlegen ließ er sich auf einen Stuhl sinken und schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist das keine gute Idee.«
»He, he! Immer mit der Ruhe, Mann. Johnson, hör mir zu.« Ich legte ihm die Hände auf die Schultern. »Das ist in Ordnung. Ehrlich. Delilah und Shade – es ist, als wären sie füreinander bestimmt. Ich weiß, dass sie dir das von Herzen gönnen wird. Du brauchst mir das nicht zu erklären, und auch sonst niemandem. Okay?«
Er biss sich auf die Unterlippe und wirkte ängstlich und erleichtert zugleich. »Okay.« Er holte tief Luft und ließ sie langsam durch die geschürzten Lippen wieder ausströmen. »Ich glaube, ich habe einfach nur Angst. Ich weiß, dass ich noch nicht bereit bin für jemand Neues, aber ich hocke nicht gern allein zu Hause herum, und es kam mir ganz natürlich vor, sie ins Kino einzuladen. Ich hätte gar nicht gedacht, dass sie tatsächlich ja sagen würde.«
»Chase …« Ich setzte mich mit einem kleinen Hüpfer auf die Tischplatte und ließ die Beine baumeln. »Bei dir tut sich zurzeit so viel. Es ist nur klug von dir zu erkennen, dass du Zeit brauchst, um das alles zu verarbeiten. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass du dabei allein sein musst. Dass du dich bei niemandem anlehnen dürftest. Verwechsle das bloß nicht mit Liebe. Überstürze nichts. Erzwinge nichts. Und lass dich auch von niemand anderem drängen. Lass es einfach das sein, was es ist – und vielleicht ist es nicht mehr als ein Kinofilm und ein Hot Dog mit einer Freundin. Verstehst du?«
Chase schenkte mir ein kleines Lächeln und schnaubte leise. »Seit wann bist du denn so weise? Steckt in dir vielleicht eine heimliche Kummertante?«
»Um Himmels willen. Ich kriege ja nicht mal mein eigenes Leben auf die Reihe.« Ich zögerte kurz, dann musste ich lachen. »Schau uns nur an. Hier sitzen wir und quatschen wie alte Freunde. Irgendwie vermisse ich die guten alten Zeiten, als du eine Scheißangst vor mir hattest und ich dir oft in den Nacken gepustet habe, nur um zu sehen, wie du zu Tode erschrickst.«
Er brach in lautes Lachen aus. »Ach, Fangzahn, ich habe immer noch eine Scheißangst vor dir und erschrecke fürchterlich, wenn du mich überraschst.« Er hielt inne, dann fuhr er fort: »Ich vermisse die alten Zeiten auch. Ich war sicher, dass du mich irgendwann beißen würdest, und ich habe mich mehr als einmal gefragt …« Chase verstummte und ließ den Satz in der Luft hängen.
Ich wollte seinem Gedankengang nicht folgen, aber es war besser, alles offen auszusprechen. Von Geheimnissen hatte ich wirklich die Schnauze voll. »Du hast dich mehr als einmal gefragt, wie sich das anfühlen würde? Du hast daran gedacht, mir zu erlauben, dich zu beißen? Von dir zu trinken?«
Er nickte schweigend und lief rot an.
»Hör zu, Chase … es kann ein unvorstellbar sinnliches Erlebnis sein, aber als Mensch betrittst du damit einen sehr dunklen Pfad. Ein VBM – auch einer mit verlängerter Lebensspanne und erwachenden übernatürlichen Fähigkeiten – ist nicht dafür gemacht, lange als Bluthure zu leben. Die Sucht, einen Vampir zu nähren, ist eine Einbahnstraße. Ja, es ist unglaublich erotisch, wenn dein Besitzer das will, aber es ist keine gute Idee. Deshalb habe ich nie von Nerissa getrunken, und das werde ich auch nie tun. Sie ist meine Freundin, nicht mein Abendessen.«
Sein Lächeln flackerte wieder auf, und er nickte. »Danke. Das musste ich mal hören. Ich meine, ich wusste das alles, aber …«
»Aber du warst trotzdem neugierig. Das ist nur natürlich.«
»Ja, ich hatte diese Frage ständig im Hinterkopf. Ich glaube nicht, dass ich mich als Bluthure eigne. Aber … wenn irgendjemand die Aussicht attraktiv erscheinen lässt, dann du, mit deinen beängstigend
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