Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
übernehme ihre Ausbildung, aber ich will sicher sein, dass sie sich jederzeit an jemanden wenden kann, falls sie Angst bekommt oder sonst etwas passiert.«
Tavah stieß ein nachdenkliches Brummen aus und neigte den Kopf zur Seite. Sie war groß und schlank wie Delilah, und das schulterlange blonde Haar fiel ihr in einem Pferdeschwanz bis auf den Rücken. Sie schminkte sich nur dezent und blieb meist für sich. Sie war ein Bücherwurm, obwohl sie knackige Jeans und Kaschmirtops trug. Ich hatte sie gut genug kennengelernt, um ihr zu vertrauen, aber ich hatte das Gefühl, dass sie niemanden nah genug an sich heranließ, um enge Freundschaft zu schließen.
»Das kann ich machen«, sagte sie gleich darauf. »Ist eine große Verantwortung, aber … ja, ich helfe euch gern. Und du hast gesagt, ich soll mit ihr Klamotten kaufen gehen?«
Ich nickte. »Sie hasst die Sachen, die Sassy sie zu tragen zwingt. Kauf ihr ein paar bequeme, schöne Outfits, und um aller Götter willen, lass sie die Sachen aussuchen. Dann fährst du mit ihr in die Bar und zeigst ihr alles, was sie zum Putzen braucht. Und besorge bitte noch einen Fernseher, so um die fünfundzwanzig Zoll, für eines der Gästezimmer oben, und einen günstigen Laptop. Bezahl mit der Kreditkarte der Bar. Erin kann ebenso gut schon heute Abend mit der Arbeit anfangen – zeig ihr, wo sie den Putzkram findet und was zu machen ist. Ich komme später. Falls es irgendwelche Schwierigkeiten gibt, ruf mich auf dem Handy an.«
Ich stand auf und ließ meine Tochter kommen. Dazu brauchte ich nur meinen Geist auf sie zu richten und nach ihr zu rufen – sie war noch so neu, dass sie sofort angerannt kam.
»Tavah geht mit dir einkaufen und dann in die Bar. Sie ist eine ältere Vampirin, falls also irgendetwas passieren sollte, kann sie dir helfen.« Tavah war mindestens hundert Jahre alt, das wusste ich. »Wir sehen uns dort, wenn ich etwas anderes erledigt habe.«
»Ja, Herrin.« Erin knickste automatisch, um mir die Hand zu küssen, und ich ließ es widerstrebend zu. Ich hatte nie vorgehabt, ein Kind zu erwecken, andere zu beherrschen – ich wollte nur Macht über mein eigenes Leben haben. Jetzt schien es, als sei ich für immer mehr verantwortlich, und ich konnte mich dem nicht einfach entziehen.
Ich sah den beiden nach, als Tavah mit ihr zur Auffahrt ging. Meine Tochter. Wie seltsam sich das Wort auf meiner Zunge anfühlte, vor allem, da meine Tochter bei ihrem Tod Ende vierzig gewesen war. Aber ich war ihre Meisterin, ich war für sie verantwortlich, und wir würden auf ewig miteinander verbunden sein, was die Zukunft auch bringen mochte.
Roman wohnte in einer phantastischen Villa auf einem bewachten Grundstück, und seine Angestellten hatten eine Scheißangst vor ihm. Bisher war ich nur ein einziges Mal hier gewesen, und da hatte das Dienstmädchen mich gewarnt, dass nur wenige, die dieses Haus betraten, es je wieder verließen. Damals war ich davon ausgegangen, dass ich nie zurückkehren würde, doch hier stand ich nun und starrte an dem vierstöckigen Riesenkasten empor. Weiße Säulen, in Reih und Glied aufgestellt, trugen das Vordach und schimmerten wie marmorne Lichtstrahlen. Wie es wohl wäre, in einem solchen Haus zu wohnen? Voller Kunstgegenstände und Antiquitäten, überquellendem Luxus und mit einem Stall voller Bluthuren im eigenen Hinterhof? Die Villa roch nach Dekadenz, stank aber keineswegs.
Ich glitt aus dem Wagen und näherte mich langsam der Haustür.
Ein Dienstmädchen öffnete mir – nicht dieselbe junge Frau wie beim letzten Mal, aber ebenfalls eine Vampirin. Ich erkundigte mich nicht nach ihrer Kollegin. Ich wollte es lieber nicht wissen.
»Menolly D’Artigo, Roman erwartet mich. Wir haben einen Termin um halb neun.« Als sie zurücktrat und mich mit einem Wink hereinbat, war ich irgendwie froh darüber, dass ich nur Jeans und einen Rolli trug, und meine coole schwarze Lederjacke. Meine hohen Stiefelabsätze klapperten auf dem Fliesenboden, der so glänzend poliert war, dass ich mein Spiegelbild darin sehen konnte.
Schweigend führte sie mich in den Salon, den einzigen Raum, den ich bisher gesehen hatte. Ein bedrückender Hauch von zu viel vergangener Zeit ging von all dem Nippes aus, den opulenten Polstermöbeln, den von Hand gewebten und bestickten Wandbehängen aus fernen Jahrhunderten.
Roman war ein sehr wohlhabender Vampir, und obwohl er einen exquisiten Geschmack hatte, fühlte sich seine Gegenwart klaustrophobisch an. Es war
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