Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
erinnerten mich irgendwie an die Grinsekatze. Ihre Lippen waren so schmal, dass sie kaum vorhanden wirkten, und als sie lächelte, schimmerten spitze Zähne – eher Knochensplitter oder polierte Pfeilspitzen – in je einer langen, geraden Reihe quer über den Ober- und Unterkiefer. Mit diesen Beißerchen konnte die Frau wahrscheinlich Metall zerkauen.
Sie neigte den Kopf zur Seite und ähnelte dabei so sehr einer Eule, dass ich mir vorkam wie eine Maus, die sich im Gras versteckt.
»Vampyr?«
Sie schien gar nicht mit mir zu sprechen. Dann hob sie die Hand, legte einen langen, vielgliedrigen Finger auf meinen Arm und stieß mich. Kräftig. Ein Stromstoß durchfuhr mich – unangenehm, um das mindeste zu sagen.
»Vampyr.« Das klang befriedigt.
»Autsch! Warum hast du …« Ich unterbrach mich. Es war nicht klug, den Alten Feen unnötige Fragen zu stellen, das wusste ich noch aus der Schule. Und warum sie mich mit Stromstößen traktierte, war im Augenblick nicht von besonderem Interesse, solange sie sich nicht als tödlich erwiesen. »Ivana Krask, nehme ich an.« Keine Fragen, nur Aussagesätze.
»Ivana Krask.« Sie neigte den Kopf zur Seite, und die Eule, die ich vorhin gehört hatte, flog zu ihr und landete auf ihrer Schulter. »Ich bin die Maid von Karask. Was ist dein Begehr?«
Aber natürlich! Die Maid von Karask gehörte zu den Alten Feen. Sie war berüchtigt dafür, dass sie Kinder fraß, Männer in einen grausigen Tod in den Sümpfen lockte und junge Frauen in runzlige alte Weiber verwandelte. Doch sie besaß eine weitere Macht, die sich aus meinen Erinnerungen an die Schulzeit emporarbeitete.
Die Maid von Karask war in der Lage, alte und mächtige Geister zu bezwingen. Sie konnte sie auch bewegen, sie von ihrem jetzigen Aufenthaltsort wegbringen, damit sie ihr Unwesen anderswo trieben. In uralten Zeiten hatten Dörfer ihr kleine Kinder geopfert, wenn es große Schwierigkeiten mit Geistern gab.
Jetzt verstand ich, weshalb Roman mir geraten hatte, Kontakt zu ihr aufzunehmen, aber ich würde sehr, sehr vorsichtig sein müssen. Ein kleiner Fehler, eine unglückliche Wortwahl, konnte tödlich sein. Und es dürfte nicht einfach sein, sie dazu zu bringen, feinstes Steak anstelle von hellem Fleisch anzunehmen, wie sie das genannt hatte. Jetzt war mir auch klar, warum Roman mir eingeschärft hatte, mich nicht bei ihr zu bedanken. Dadurch würde ich mich an sie binden – die Alten Feen betrachteten Danke als Schuldversprechen, selbst wenn eine Vereinbarung schon erfüllt worden war.
Ich sog zischend die Luft ein. »Ich habe Geister, die es zu verbannen gilt. Ich biete dir zehn Pfund allerbestes Rindfleisch für ein Haus, zwanzig Pfund, wenn du zwei Orte von ihnen befreist. Aber du darfst in der Umgebung kein helles Fleisch essen, verstanden? Nicht fangen, nicht fressen, nicht verstümmeln, nicht verletzen, nicht behexen. Helles Fleisch ist tabu. Aber das Rindfleisch wird zart und saftig sein.«
Die Maid von Karask starrte mich an. Ihre Augen flackerten, runde gelbe Regenbogenhäute in dem weit geschwungenen Weiß, das im Licht der Sterne schillerte. Sie zischte, und die Eule auf ihrer Schulter zischte ebenfalls. »Nein, ich verlange helles Fleisch. Ich habe zu lange keines bekommen.«
»Die Welt hat sich verändert, alte Frau. Du kannst Menschen, Feen oder Elfen kein helles Fleisch mehr rauben. Das ist nicht mehr Brauch, und du musst dich mit den Gebräuchen ändern.«
»Nein – ändern mag sich die Welt, doch nicht die Maid von Karask. Ich bin eine Alte! Ich stehe jenseits aller Regeln.« Sie straffte die Schultern, und ich wusste, dass ich ihr jetzt besser nicht widersprach, wenn ich nicht selbst auf ihrem Teller landen wollte.
»Keine Diskussion. Zurück zu unserem Geschäft. Zehn Pfund feinstes Rindfleisch für eine Räumung. Zwanzig Pfund feinstes Rindfleisch für eine zweite. Bist du gewillt, den Handel abzuschließen?« Ich verschränkte die Arme und ließ meine Fangzähne hervorblitzen, um sie daran zu erinnern, dass sie es nicht mit einer gewöhnlichen Fee oder einem VBM zu tun hatte.
Tränen schimmerten in ihren Augen – Tränen, denen ich gewiss nicht trauen würde. »Du bist grausam, totes Mädchen. Du bist hart. Wie soll ich bei Kräften bleiben ohne das liebliche, zarte Fleisch, das ich so sehr mag? Ich bin unvorstellbar alt, und doch willst du mir meine Nahrung verweigern? Grausam bist du und böse.«
»Das mag sein, aber ich bleibe dabei. Noch einmal, hier ist mein Angebot: zehn
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