Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
Wilden Feen, waren wesentlich urtümlicher als Feen wie Hyacintha, eine Dryade, die jetzt auf Smokys Land lebte, und wilder und gefährlicher als Wisteria, die Floreade, die wir gefangen genommen und schließlich getötet hatten, nachdem sie Königin Asteria entwischt war.
Allein der Klang ihrer Stimme sagte mir, dass sie eine der Alten war – Geschöpfe aus Sagen und Legenden, die so weit entfernt von der menschlichen Natur waren, dass sie sich niemals der modernen Welt anpassen könnten: Der Wilde Mann und die Schwarze Agnes, die Weiße Frau und der Eisenhans. Und natürlich der Troll unter dem Pferd, der Schlafende Onkel, die Waschfrau an der Furt und das Blumenmädchen … sie alle entstammten den Zeiten, da das Volk meines Vaters noch in kleinen Dörfern gelebt hatte und Menschen eben erst in Erscheinung traten.
Die Alten Feen waren nicht ausgestorben, aber immer mehr an den Rand gedrängt, auf hohe Berge, in abgelegene Sümpfe, halb verfallene Burgen, zu Bächen im Gebirge. Doch obwohl sie sich vor der modernen Welt zurückzogen, waren sie viel, viel mächtiger und schreckenerregender, als die meisten VBM sich je träumen lassen würden.
Und Ivana Krask, was immer sie sein mochte, trug die Energie der Alten Feen schon in der Stimme.
»Ich möchte einen Handel eingehen.«
»Das hat Roman erwähnt, ja. Ich könnte mir vorstellen, dass ein dralles Kind oder auch zwei mein Interesse beflügeln würden – es ist so lange her, dass ich zuletzt helles Fleisch gegessen habe.« Sie brach in dürres Gelächter aus. »Aber um den Handel zu besiegeln, müssen wir uns treffen. Ich mache keine Geschäfte am Telefon. Erst will ich dich sehen.«
Ich riss mich zusammen – es gab nicht vieles, wovor ich mich fürchtete, aber Ivana Krask gehörte offenbar dazu – und willigte ein. Sie bestimmte als Treffpunkt den Cedar Falls Park, am Rande von Belles-Faire, in einer Stunde. Als ich auflegte, konnte ich mich nur fragen, worauf zum Teufel ich mich da einließ.
Der Cedar Falls Park war zum Glück völlig anders als der Park im Greenbelt District, wo ich den Leichnam gefunden hatte. Hier gab es, soweit ich das wahrnehmen konnte, keine Spur von Gespenstern oder Geistern. Und falls doch, behielten sie ihre Nebelschwaden für sich. Ich fand die Bank, die Ivana mir beschrieben hatte, fegte den Schnee herunter und setzte mich nervös auf die Kante.
Während ich wartete, lauschte ich dem weichen Ruf einer Eule zwischen den Bäumen und hatte plötzlich das Gefühl, dass irgendetwas mich beobachtete. Langsam drehte ich mich um und sah einen vagen Schatten unter den Bäumen am Waldrand. Ich wartete – unter gar keinen Umständen würde ich in einen Wald gehen, um eine Alte Fee zu treffen. Sie konnte hübsch zu mir kommen.
Und dann bewegte sich der Schemen. Erst dachte ich, es sei eine vornübergebeugte Gestalt, ein altes Weib mit einer altmodischen Haube und Schultertuch, einem verrückt gemusterten Kleid und einem Korb, den sie am Arm trug. Doch der Schatten blinkte und war plötzlich anderthalb Meter näher als zuvor. Allerdings stand die Gestalt jetzt aufrecht, und ich konnte einen dunklen Umhang um ihre Schultern erkennen. Ein weiteres kurzes Flackern, und kränkliches Grün und dunkles Violett wirbelten und schimmerten in der Silhouette. Blink. Sie bewegte sich sieben Meter weit, ohne dass ich es gesehen hätte. Als säße ich in einem uralten Stummfilm, ruckelte sie Stück für Stück auf mich zu.
Blink. Sie stand neben mir.
Langsam erhob ich mich und starrte die Frau an. Sie war gedrungen, höchstens so groß wie ich, aber ich hatte den Eindruck, dass sie in Wahrheit viel größer sein müsste. Ich betrachtete die knochige Hand, die sich aus den tiefen Falten des Umhangs hervorschob, und nickte nur. Keine gute Idee, so ein Händedruck. Sie könnte behaupten, ich hätte einen stillschweigenden Handel geschlossen. Die Alten Feen waren Genies im Manipulieren von Eiden und Gelöbnissen.
»Ivana Krask?«
»Ebendiese.« Sie schob die Kapuze ihres Umhangs zurück, und ich keuchte auf. Wahrhaftig, eine Alte Fee. Ihr Gesicht war verzerrt, zumindest aus meinem Blickwinkel. Es war unangenehm breit an den Augen und verjüngte sich dann hin zu einem scharfen, spitzen Kinn. Gesicht und Hals waren mit seltsamen Beulen übersät, mit Knoten wie Astlöcher an alten Bäumen, nur eben aus Haut. Ihre Gesichtszüge waren beinahe flach, die Nase nur ein blasser kleiner Knubbel in der Mitte. Große Augen wie die einer Animefigur
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