Schwesternkuss - Roman
vielleicht war sie sogar schon gelandet. Sie musste einen Privat-Jet gechartert haben. Ob das FBI auf Nassau angerufen hatte? Denn Bennie hatte keinen Ausweis und deshalb auch keine Ahnung, wie sie legal einen Fuß auf die Insel setzen konnte.
»Es gilt jetzt Plan B!«, brüllte der Pilot, um den Fluglärm zu übertönen. »Ich kann auf LP nicht landen.«
»Was?«
»Ich kann auf Lyden Pindling, dem Nassauer Flughafen, nicht landen. Ich muss auf eine andere Insel ausweichen. Sie können morgen die Fähre nach Nassau nehmen.«
»Ich muss heute Abend nach Nassau. Das war abgemacht.«
»Pech für Sie. Der Flughafen ist geschlossen worden.«
»Können Sie nicht woanders auf der Insel landen?«
»Das kostet aber.«
»Ich habe genügend Bargeld. Sie haben es gesehen.«
»Roger! Blondie, ich bin dein Mann.«
Blondie . Das war der Name, der jetzt zu Bennie passte. Früher kämpfte sie für Gerechtigkeit, jetzt stand sie außerhalb des Gesetzes. Sie war dabei, ein Land illegal zu betreten.
Und das tat sie, um einen Mord zu begehen.
114
Sirenen heulten, Lautsprecher jaulten, Rauchschwaden erfüllten die Luft. Flughafenpersonal in Warnwesten stürmte in Richtung der Feuer. Eine schwarze Limousine mit hochgeklapptem Kofferraum und offen stehender Fahrertür stand verlassen vor dem Flughafeneingang.
»Kein Fahrer!«, rief Alice. Doch dann entdeckte sie, dass das Zündschloss nicht leer war. »Er hat die Wagenschlüssel stecken lassen! Steig ein.«
Knox schlug den Kofferraum zu und sprang in den Wagen.
Alice gab Gas und fuhr los, als ein Pulk von Streifenwagen direkt auf sie zuraste.
»Spur wechseln!«, schrie Knox. »Wir haben hier Linksverkehr!«
Alice wechselte die Fahrbahn. »Wie kommen wir von hier weg?«
»Links abbiegen.« Ein Feuerwehrwagen mit Blaulicht jagte an ihnen vorbei. Sie kamen auf die Hauptstraße, eine Abzweigung lag vor ihnen.
»Wohin jetzt?«
»Nach rechts und dann nach links.«
Sie fuhr nun eine Seitenstraße entlang. Die Autovermietungen und Leasing-Agenturen am Straßenrand wurden weniger. Sie kamen in ein Viertel mit kleinen heruntergekommenen Häusern, bei denen der Putz abbröckelte. Deren Bewohner waren auf die Straße gelaufen, sie wollten sehen, was am Flughafen passierte. Alice fuhr weiter bis zu einer Lichtung am Ende der Straße. Dort hielt sie an. Knox wirkte nervös im Schein des Armaturenbretts.
»Jetzt bist du an der Reihe«, sagte Alice. »Ich brauche einen Angestellten von der BSB Bank. Und du wirst ihn mir besorgen.«
»Ich kenne keinen.«
»Nicht gleich aufgeben. Vielleicht kennst du jemanden, der wiederum jemanden kennt, der uns weiterhelfen kann.«
»Wie viel ist dir die Sache wert?« Knox’ Augen funkelten. »Ich weiß, dass deine Tasche voll ist.«
»Fünf Riesen.«
»Zwanzig.«
»Zehn.«
»Fünfzehn.«
Alice setzte ein falsches Lächeln auf. »Aber mehr ist nicht drin.«
»Einverstanden.« Knox dachte nach. »Die Freundin meiner Kusine kennt vielleicht jemanden. Aber ich bin mir nicht sicher.«
»Dann ruf sie an.«
115
In der Ferne glühte der Himmel orangefarben, als der Hubschrauber seinen ruckelnden Sinkflug begann. Woher dieses seltsame Leuchten kam, interessierte Bennie nicht. Der Pilot schaltete das Landelicht ein. In dessen Kegel tauchten Schutt, Unkraut und Glasscherben auf.
Bennie umklammerte die Handschlaufe, als der Pilot zur Landung ansetzte. Allerlei Ungeziefer hatte der Hubschrauber aufgeweckt, das nun im Scheinwerferlicht herumschwirrte. Erst schwebte der Helikopter noch etwas über der Erde, dann schaukelte er hin und her, um dann endgültig aufzusetzen. Geschafft. Die Rotorblätter drehten sich langsamer, der Lärm wurde weniger, bis er ganz erstarb. Der Hubschrauber erzitterte, als der Motor abgeschaltet wurde.
Der Pilot nahm die Kopfhörer ab und sah Bennie mit einem breiten Grinsen an. »Hier versteht man zu leben.«
»Wo sind wir?«
»In Adelaide, südwestlich von Nassau. Das Land gehört einem Freund. Ich werde heute bei ihm übernachten.« Der Pilot drehte sich um. »Haben Sie das Feuer am Flughafen gesehen? Sieht nach einer Katastrophe aus.«
Bennie dachte nach. Ein Feuer am Flughafen. War Alice eingetroffen? Oder war es ein Zufall? »Ich muss so schnell wie möglich nach Nassau.«
»Mein Kumpel und ich können Sie hinbringen. Eine halbe Stunde mit dem Wagen. Dort haben wir einen Freund, mit dem wir die ganze Nacht Poker spielen können.«
»Dann packen wir’s.« Bennie öffnete die klapperige Tür und kletterte aus dem
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