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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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wenn wir uns sehen.«
     
    Diesmal überließ Rizzoli Maura das Steuer, aber nur, weil es Mauras Lexus war, mit dem sie in nördlicher Richtung auf den Maine Turnpike zufuhren. In der Nacht war von Westen her eine Gewitterfront aufgezogen, und als Maura aufgewacht war, hatte der Regen auf ihr Dach getrommelt. Sie hatte Kaffee gekocht, die Zeitung gelesen, all die üblichen
morgendlichen Aktivitäten. Wie schnell man doch wieder in die alte Routine verfällt, selbst im Angesicht der Angst. Sie hatte die letzte Nacht nicht im Motel verbracht, sondern war nach Hause zurückgekehrt. Dort hatte sie alle Türen verriegelt und die Außenbeleuchtung brennen lassen – ein dürftiger Schutz gegen die Gefahren der Nacht, aber dennoch hatte sie friedlich geschlafen, während der Sturm ums Haus gefegt war, und sie war mit dem Gefühl erwacht, dass sie ihr Leben wieder im Griff hatte.
    Ich habe es satt, ständig in Angst zu leben. Ich lasse mich davon nicht länger aus meinem eigenen Haus vertreiben.
    Und jetzt, als sie mit Rizzoli nach Maine unterwegs war, wo noch dunklere Regenwolken am Himmel hingen, war sie bereit, sich zur Wehr zu setzen, den Spieß umzudrehen. Wer du auch sein magst, ich werde dich so lange hetzen, bis ich dich zur Strecke gebracht habe. Ich war die Gejagte, aber ich kann auch zur Jägerin werden.
     
    Es war zwei Uhr nachmittags, als sie das Gebäude des Rechtsmedizinischen Instituts von Maine in Augusta erreichten. Dr. Daljeet Singh empfing sie in der Eingangshalle und ging mit ihnen nach unten in den Autopsiesaal, wo die zwei Kartons mit den Knochen schon bereitstanden.
    »Der Fall hatte bei mir nicht die oberste Priorität«, gab er zu, während er eine Plastikplane auf dem Stahltisch ausbreitete. Sie senkte sich mit einem leisen Rascheln herab, wie Fallschirmseide. »Sie sind vermutlich schon seit Jahrzehnten unter der Erde; da dürften ein paar Tage mehr oder weniger nicht so entscheidend sein.«
    »Haben Sie schon die neuen Suchergebnisse vom NCIC?«, fragte Maura.
    »Heute Morgen. Ich habe die Liste der Namen ausgedruckt. Sie liegt dort auf dem Schreibtisch.«
    »Und die Röntgenaufnahmen der Gebisse?«
    »Ich habe die Dateien heruntergeladen, die man mir geschickt hat. Bin noch nicht dazu gekommen, sie mir anzusehen.
Ich dachte, das kann warten, bis Sie beide hier sind.« Er öffnete den ersten Pappkarton und begann die Knochen herauszunehmen, um sie vorsichtig auf die Plastikplane zu legen. Zuerst ein Schädel, an der Seite eingedrückt. Dann ein schmutzverkrustetes Becken, lange Knochen und Stücke der Wirbelsäule. Ein Bündel Rippen, die klappernd aneinander stießen wie die Stäbe eines Bambus-Windspiels. Bis auf dieses Geräusch war es vollkommen still in Daljeets Labor, das ebenso funktional eingerichtet, sauber und hell erleuchtet war wie Mauras Autopsiesaal in Boston. Gute Pathologen sind immer geborene Perfektionisten, und dieser Aspekt seiner Persönlichkeit kam nun zum Vorschein. Er schien geradezu um den Tisch herumzutanzen, als er mit eleganten, fast feminin wirkenden Bewegungen die Knochen in ihren anatomisch korrekten Positionen arrangierte.
    »Welches Skelett ist das?«, fragte Rizzoli.
    »Das männliche«, antwortete er. »Aus der Länge der Oberschenkelknochen lässt sich schließen, dass er ungefähr einen Meter achtzig groß war. Deutlich erkennbare Kompressionsfraktur des rechten Schläfenbeins. Und es liegt auch eine Colles-Fraktur vor, allerdings gut verheilt.« Er bemerkte Rizzolis perplexe Miene. »Das ist ein Bruch des Handgelenks.«
    »Warum macht ihr Mediziner das eigentlich?«
    »Was?«
    »Den Dingen so ausgefallene Namen geben. Warum nennen Sie es nicht einfach ein gebrochenes Handgelenk?«
    Daljeet lächelte. »Auf manche Fragen gibt es nun mal keine einfachen Antworten, Detective Rizzoli.«
    Rizzoli betrachtete die Knochen. »Was wissen wir sonst noch über ihn?«
    »Es sind keine offensichtlichen osteoporotischen oder arthritischen Veränderungen des Rückgrats zu erkennen. Es handelte sich um einen jungen weißen Erwachsenen. Er hatte ein paar Zahnbehandlungen – ich sehe Amalgamfüllungen in drei-sechs und drei-sieben.«

    Rizzoli deutete auf das eingedrückte Schläfenbein. »Ist das die Todesursache?«
    »Das war mit Sicherheit ein tödlicher Schlag.« Er wandte sich zu dem zweiten Karton um. »Und jetzt zu der weiblichen Person. Sie wurde knapp zwanzig Meter vom ersten Skelett entfernt gefunden.«
    Er bedeckte einen weiteren Tisch mit einer Plane. Dann legte

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