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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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hier.« Sie deutete auf den hellen Splitter in Nikki Wells’ Schambeinfuge. »Ich glaube, es handelt sich um die abgebrochene Spitze einer Messerklinge.«
    »Aber Nikki Wells wurde mit einem Montiereisen getötet«, warf Rizzoli ein. »Man hat ihr den Schädel eingeschlagen.«
    »Das stimmt«, sagte Maura.
    »Und warum hätte der Täter dann noch zusätzlich ein Messer benutzen sollen?«
    Maura zeigte auf das Röntgenbild. Auf das Skelett des Fetus, der zusammengekrümmt über Nikki Wells’ Becken lag. »Deshalb. Das ist es, worauf es der Mörder eigentlich abgesehen hatte.«
    Daljeet schwieg. Doch auch ohne dass er ein Wort sagte, wusste sie, dass er verstanden hatte, in welche Richtung ihre Gedanken gingen. Er wandte sich wieder den Überresten von Karen Sadler zu und hob das Becken auf. »Ein Schnitt entlang der Körperlängsachse, von oben nach unten durch die Bauchdecke«, sagte er. »Die Klinge würde genau an der Stelle, wo die Kerbe ist, auf Knochen treffen …«
    Maura dachte an Amalthea, wie sie mit einem Messer den Bauch einer jungen Frau aufschlitzte, ein so brutaler Schnitt, dass die Klinge erst zum Stillstand kommt, wenn
sie auf Knochen stößt. Sie dachte an ihren eigenen Beruf, in dem Messer eine so große Rolle spielten, an die vielen Tage, die sie schon im Autopsiesaal gestanden, die sie mit dem Zerschneiden von Haut und Organen zugebracht hatte. Wir wissen beide mit dem Messer umzugehen, meine Mutter und ich. Aber ich schneide totes Fleisch, während sie lebende Menschen zerstückelt hat.
    »Deshalb haben Sie keine Fetenknochen in Karen Sadlers Grab gefunden«, sagte sie.
    »Aber in diesem anderen Fall …« Er wies auf das Röntgenbild von Nikki Wells. »Da wurde der Fetus nicht herausgenommen. Er wurde zusammen mit der Mutter verbrannt. Warum macht man einen Einschnitt, um ihn herauszuholen, und tötet ihn dann doch noch?«
    »Weil Nikki Wells’ Baby einen Geburtsdefekt hatte. Verursacht durch einen Amnionstrang.«
    »Was ist das?«, fragte Rizzoli.
    »Das sind Verwachsungen der inneren Eihaut, die sich quer durch die Fruchtblase ziehen können«, erklärte Maura. »Wenn sie sich um eine Gliedmaße des Fetus wickeln, kann die Durchblutung unterbunden werden, und es kann sogar zu Amputationen kommen. Der Defekt wurde bei Nikki im zweiten Trimester diagnostiziert.« Sie zeigte auf die Röntgenaufnahme. »Sie können sehen, dass dem Fetus der rechte Unterschenkel fehlt.«
    »Das ist aber kein lebensbedrohlicher Defekt?«
    »Nein, das Kind hätte überlebt. Aber die Täterin dürfte den Defekt sofort bemerkt haben. Sie muss gesehen haben, dass es kein gesundes Baby war. Ich glaube, dass sie es deshalb nicht haben wollte.« Maura wandte sich um und sah Rizzoli an. Es war unmöglich, in diesem Moment die Tatsache von Rizzolis Schwangerschaft zu ignorieren. Den angeschwollenen Bauch, die kräftig durchbluteten Wangen. »Sie wollte ein perfektes Baby.«
    »Aber Karen Sadlers Kind wäre doch auch nicht perfekt gewesen«, bemerkte Rizzoli. »Sie war erst im achten Monat,
nicht wahr? Da sind die Lungen doch noch nicht voll ausgebildet, oder? Es hätte nur im Brutkasten überleben können.«
    Maura sah auf Karen Sadlers Knochen hinunter. Sie dachte an den Ort, an dem sie gefunden worden waren. Und an das Skelett des Mannes, das zwanzig Meter weiter vergraben worden war. Aber nicht im selben Grab – an einer anderen Stelle. Warum zwei verschiedene Gräber graben? Warum nicht Mann und Frau in einer Grube verscharren?
    Plötzlich wurde ihr Mund ganz trocken. Die Antwort traf sie wie ein Schlag.
    Sie wurden nicht zur gleichen Zeit begraben.

21
    Das kleine Haus duckte sich unter den regenschweren Ästen der Bäume, als wiche es vor ihrer Berührung zurück. Als Maura es vor einer Woche zum ersten Mal gesehen hatte, da hatte es auf sie nur deprimierend gewirkt, eine dunkle kleine Hütte, die der von allen Seiten heranrückende Wald langsam erdrückte. Als sie es jetzt vom Wagen aus betrachtete, schienen die Fenster sie anzustarren wie hasserfüllte Augen.
    »Das ist das Haus, in dem Amalthea aufgewachsen ist«, sagte Maura. »Es dürfte Anna nicht schwer gefallen sein, an diese Information heranzukommen. Sie musste nur einen Blick in Amaltheas Akten von der High School werfen. Oder den Namen Lank in einem alten Telefonbuch nachschlagen.« Sie wandte sich zu Rizzoli um. »Miss Clausen, die Vermieterin, hat mir gesagt, dass Anna ausdrücklich dieses Haus und kein anderes mieten wollte.«
    »Anna muss also

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