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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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die ganze Strecke zu Fuß gelaufen?«
    »Ja. Das muss man sich mal vorstellen – in stockfinsterer Nacht durch diesen Wald zu rennen, und das, nachdem die Wehen schon eingesetzt haben. Dort über den Abhang ist sie aus dem Wald rausgekommen.«
    »Ich kann es nicht fassen.«
    »Sie sollten mal die Kiste sehen, in der er sie festgehalten hat – wie ein Sarg. Eine Woche lang lebendig begraben – ich weiß nicht, wie sie das überstanden hat, ohne verrückt zu werden.«
    Maura dachte an die junge Alice Rose, die vor so vielen Jahren auch in einer Grube gefangen gehalten worden war. Nur eine Nacht in Dunkelheit und Verzweiflung, und diese Nacht hatte sie für den Rest ihres kurzen Lebens verfolgt. Und am Ende war sie daran zugrunde gegangen. Doch Mattie Purvis hatte es nicht nur geschafft, ihre fünf Sinne beisammen zu halten, sie hatte auch noch die Energie und die Willenskraft besessen, sich gegen ihren Peiniger zur Wehr zu setzen. Und zu überleben.
    »Wir haben den weißen Lieferwagen gefunden«, sagte Rizzoli.
    »Wo?«
    »Er steht oben auf dem Berg, ganz am Ende eines Waldwegs, dreißig oder vierzig Meter von der Grube entfernt, in der er sie vergraben hat. Da hätten wir sie niemals gefunden.«
    »Haben Sie schon Überreste von anderen Opfern gefunden? Dort in der Nähe sind doch sicher noch mehr Leichen verscharrt.«
    »Wir haben gerade erst mit der Suche begonnen. Es ist ein großes Waldgebiet, das wir da durchkämmen müssen. Wird eine Weile dauern, bis wir den ganzen Berg nach Gräbern abgesucht haben.«
    »So viele Jahre, so viele vermisste Frauen. Und eine davon könnte meine …« Maura brach ab und blickte zu dem bewaldeten Hang auf. Eine davon könnte meine Mutter sein. Vielleicht fließt in meinen Adern doch nicht das Blut eines Monsters. Vielleicht ist meine Mutter ja schon seit vielen Jahren tot. Eines von vielen Opfern, verscharrt irgendwo in diesem Wald.
    »Bevor Sie irgendwelche Spekulationen anstellen«, sagte Rizzoli, »sollten Sie sich erst mal die Leiche anschauen.«
    Maura sah sie stirnrunzelnd an; dann richtete ihr Blick sich auf die verhüllte Leiche zu ihren Füßen. Sie ging in die Hocke und griff nach einem Zipfel der Plane.
    »Warten Sie. Ich sollte Sie vielleicht vorwarnen …«
    »Ja?«
    »Es ist nicht ganz das, was Sie erwarten.«
    Maura hielt inne, die Hand nach dem Laken ausgestreckt. Fliegen summten, als könnten sie es nicht erwarten, sich auf das frische Fleisch zu stürzen. Sie atmete noch einmal durch und zog die Plane zurück.
    Beim Anblick des Gesichts, das sie gerade enthüllt hatte, verschlug es ihr die Sprache. Was sie schockte, war nicht das zerstörte linke Auge, nicht der Schraubenzieher, der bis zum Griff in der Augenhöhle steckte. Dieses grausige Detail war nur eines von vielen, die sie registrierte und im Geiste ablegte, wie sie es mit einem diktierten Autopsiebericht tun würde. Nein, es waren die Gesichtszüge, denen ihre ganze Aufmerksamkeit galt, die sie mit Entsetzen erfüllten.
    »Er ist zu jung«, murmelte sie. »Dieser Mann ist zu jung, um Elijah Lank zu sein.«

    »Ich schätze ihn auf dreißig oder fünfunddreißig.«
    Maura ließ den Atem entweichen, den sie vor Entsetzen angehalten hatte. »Ich verstehe nicht …«
    »Sie können es doch erkennen, oder nicht?«, fragte Rizzoli leise. »Schwarze Haare, grüne Augen.«
    Wie ich.
    »Klar, es gibt vielleicht eine Million Männer mit dieser Haar- und Augenfarbe. Aber die Ähnlichkeit …« Sie hielt inne. »Frost hat sie auch gesehen. Wir haben sie alle gesehen.«
    Maura deckte die Leiche wieder zu und trat einen Schritt zurück, als wollte sie der Wahrheit ausweichen, die sie so unbestreitbar aus dem Gesicht des toten Mannes angestarrt hatte.
    »Dr. Bristol ist schon unterwegs«, sagte Frost. »Wir dachten uns, dass Sie diese Autopsie sicher nicht übernehmen wollen.«
    »Und warum haben Sie mich dann angerufen?«
    »Weil Sie sagten, dass Sie auf dem Laufenden gehalten werden wollten«, sagte Rizzoli. »Weil ich es Ihnen versprochen habe. Und weil …« Rizzoli blickte auf den verhüllten Körper hinunter. »Weil Sie sowieso früher oder später herausgefunden hätten, wer dieser Mann war.«
    »Aber wir wissen doch noch gar nicht, wer er war. Sie glauben eine Ähnlichkeit zu erkennen. Das ist noch kein Beweis.«
    »Das ist noch nicht alles. Heute Morgen haben wir noch etwas erfahren.«
    Maura sah sie an. »Was?«
    »Wir haben versucht, so viel wie möglich über Elijah
    Lanks Verbleib herauszufinden. Alle

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