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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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ein Blasebalg. Die Hoffnung war wie eine unerschöpfliche Energiequelle. Ich werde leben. Ich werde leben.
    Die Fenster der Hütte waren dunkel. Sie klopfte dennoch an die Tür, wagte aber nicht zu rufen, aus Furcht, ihre
Stimme könnte über die Straße hinweg bis in den Wald hallen. Niemand öffnete.
    Sie zögerte nur eine Sekunde. Zum Teufel mit dem braven Mädchen. Jetzt schlag schon das verdammte Fenster ein. Sie griff sich einen Stein, der in der Nähe des Eingangs lag, schlug ihn gegen die Scheibe, und das Klirren von Glas zerriss die Stille der Nacht. Mit dem Stein klopfte sie die verbliebenen Splitter heraus, steckte die Hand durch das Loch und entriegelte die Tür.
    So, jetzt sind wir schon bei Einbruch angelangt. Nur zu, GI Jane.
    Drinnen war die Luft abgestanden, es roch nach Zedernholz. Ein Ferienhaus, das zu lange leer gestanden hatte, zu lange verschlossen gewesen war. Glas knirschte unter ihren Sohlen, als sie nach dem Lichtschalter tastete. Einen Sekundenbruchteil nachdem sie das Licht eingeschaltet hatte, schoss es ihr durch den Kopf: Er wird es sehen. Zu spät. Sieh lieber zu, dass du ein Telefon findest.
    Sie blickte sich im Zimmer um, sah einen Kamin, einen Stapel Brennholz, Möbel mit karierten Bezügen, aber nirgends ein Telefon.
    Sie lief in die Küche und sah auf der Anrichte ein schnurloses Telefon liegen. Sofort stürzte sie sich darauf und hatte schon angefangen, die Notrufnummer zu wählen, als sie merkte, dass kein Amtston zu hören war. Die Leitung war tot.
    Im Wohnzimmer klickerten Glassplitter über die Dielen.
    Er ist im Haus. Raus hier. Schnell.
    Sie schlüpfte zur Küchentür hinaus, machte sie lautlos hinter sich zu und fand sich in einer kleinen Garage. Im schwachen Mondlicht, das durch ein Fenster fiel, konnte sie mit Mühe die Umrisse eines Ruderboots ausmachen, das auf einem Anhänger festgezurrt war. Sonst war hier nichts, was Deckung bot, kein Versteck. Sie wich von der Küchentür zurück, verkroch sich in die hinterste Ecke. Mit der Schulter stieß sie an ein Regal. Metall klirrte, es roch muffig nach
aufgewirbeltem Staub. Blind tastete sie im Regal nach einer Waffe, fand nur Farbdosen mit verklebten Deckeln; ein paar Pinsel, die Borsten starr von eingetrocknetem Firnis. Dann schlossen sich ihre Finger um einen Schraubenzieher, und sie riss ihn an sich. Eine erbärmliche Waffe, ungefähr so gefährlich wie eine Nagelfeile. Ein richtiger Bonsai-Schraubenzieher.
    Der Lichtstreifen unter der Küchentür erzitterte. Dahinter bewegte sich ein Schatten. Der Schatten hielt an.
    Und auch sie hielt den Atem an. Rückwärts schlich sie zum Garagentor, während das Herz ihr bis zum Hals schlug. Sie hatte nur noch eine Wahl.
    Sie packte den Griff und zog. Das Tor quietschte, als die Rollen über die Schienen liefen, als wollte es schreien: Sie ist hier! Sie ist hier!
    Im gleichen Augenblick, als die Küchentür aufgerissen wurde, kroch sie unter dem Tor hindurch und rannte in die Nacht hinaus. Sie wusste, dass er sie sehen konnte, wie sie am Ufer entlanglief, gnadenlos seinen Blicken ausgesetzt. Sie wusste, dass sie ihn nicht abhängen konnte. Aber sie rannte weiter, immer an der mondglänzenden Wasserfläche entlang, durch den Schlamm, der ihre Sohlen schmatzend ansaugte. Sie hörte das Schilf hinter sich rascheln – er kam näher. Schwimm, dachte sie. Spring in den See. Sie lief aufs Wasser zu.
    Und klappte plötzlich zusammen wie ein Taschenmesser, als die nächste Wehe sie packte. Das waren Schmerzen, wie sie sie noch nie erlebt hatte. Sie fiel auf die Knie, landete klatschend im knöcheltiefen Wasser, während die Schmerzen sich rasend steigerten und sie packten wie mit glühenden Zangen, bis ihr schwarz vor Augen wurde, bis sie nur noch fühlte, wie sie langsam seitwärts wegkippte. Sie schmeckte Schlamm. Wälzte sich hustend auf den Rücken, hilflos wie eine umgedrehte Schildkröte. Die Wehe ließ nach. Über ihr wurde das Licht der Sterne langsam heller. Sie spürte, wie das Wasser ihr Haar umschmeichelte, wie es
sanft gegen ihre Wangen schlug. Überhaupt nicht kalt, nein; warm wie Badewasser. Sie hörte, wie seine Schritte durch das Wasser pflügten, hörte Halme knicken. Sah, wie das Schilf sich teilte.
    Und dann war er da, dann stand er vor ihr, wie ein Riese ragte er über ihr auf. Er war gekommen, um sich seine Beute zu holen.
    Er kniete neben ihr nieder, und das Mondlicht, das sich im Wasser spiegelte, malte winzige Lichtreflexe in seine Augen. Und dann ein silbrig

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