Schwesternmord
, wollte sie ihn fragen, doch sie tat es nicht.
Sie schenkten sich Wein nach. Maura schnitt das frische Baguette auf und mischte den Salat noch einmal durch. Dann nahm sie einen Schöpflöffel und servierte den dampfenden Coq au Vin. Der Weg zum Herzen eines Mannes führt durch den Magen. War es das, was sie mit dieser Einladung erreichen wollte? War es wirklich das, was sie wollte? Daniel Brophys Herz?
Vielleicht glaube ich ihn ja gefahrlos begehren zu können, gerade weil ich weiß, dass ich ihn nicht haben kann. Er ist unerreichbar für mich, und deshalb kann er mir nie so wehtun, wie Victor es getan hat.
Aber als sie Victor geheiratet hatte, war sie sich auch sicher gewesen, dass er ihr nie wehtun würde.
Wir sind nie so unerschütterlich, wie wir glauben.
Sie waren gerade fertig mit dem Essen, als das Läuten der Türklingel sie beide erstarren ließ. Obwohl der Abend eigentlich ganz harmlos verlaufen war, tauschten sie nervöse Blicke wie in flagranti ertappte Ehebrecher.
Jane Rizzoli stand vor Mauras Tür. Die feuchte Sommerluft ließ ihre widerspenstigen Locken wirr vom Kopf abstehen. Trotz des warmen Abends hatte sie einen der seriösen dunklen Hosenanzüge an, die sie im Dienst stets trug. Das ist kein privater Besuch, dachte Maura, als sie Rizzolis ernste Miene bemerkte. Sie blickte an ihrer Besucherin herab und sah, dass sie eine Aktentasche bei sich trug.
»Tut mir Leid, dass ich Sie einfach so zu Hause überfalle, Doc. Aber wir müssen reden. Ich dachte, es wäre besser, wenn ich gleich hierher komme und nicht in Ihr Büro.«
»Geht es um den Fall?«
Rizzoli nickte. Es war nicht nötig, zu präzisieren, von welchem Fall die Rede war; sie wussten beide Bescheid. Maura und Jane respektierten einander im Beruf, doch sie hatten noch nicht die Schwelle zu einer ungezwungenen Freundschaft überschritten. Und nun beäugten sie sich mit spürbarem Unbehagen. Irgendetwas ist passiert, dachte Maura. Etwas, was ihren Argwohn geweckt hat.
»Bitte, kommen Sie rein.«
Rizzoli trat ein und blieb stehen, als ihr die Kochgerüche in die Nase stiegen. »Störe ich Sie etwa beim Essen?«
»Nein, wir sind gerade fertig.«
Das Wir war Rizzolis Aufmerksamkeit nicht entgangen. Sie warf Maura einen fragenden Blick zu. Im nächsten Moment hörte sie Schritte im Flur und erblickte Daniel, der gerade die leeren Weingläser in die Küche trug.
»Guten Abend, Detective«, rief er ihr zu.
Rizzoli blinzelte überrascht. »Pater Brophy.«
Er ging weiter in die Küche, und Rizzoli wandte sich wieder zu Maura um. Sie sagte nichts, doch es war nicht schwer zu erraten, was sie dachte. Das Gleiche, was die Frau in der Kirche gedacht hatte. Ja, ich weiß – aber es ist viel harmloser,
als es aussieht. Außer Essen und Reden ist nichts passiert. Kein Grund, mich so komisch anzuschauen.
»Tja«, sagte Rizzoli. Das kleine Wörtchen war mit reichlich Bedeutung geladen. Sie hörten das Klappern von Geschirr und Besteck. Daniel räumte die Spülmaschine ein. Ein Priester, der sich in ihrer Küche wie zu Hause fühlte.
»Wenn’s geht, würde ich gerne unter vier Augen mit Ihnen reden«, sagte Rizzoli.
»Ist das wirklich nötig? Pater Brophy ist ein guter Bekannter.«
»Es wird so schon nicht einfach sein, darüber zu reden, Doc.«
»Ich kann ihn doch nicht einfach vor die Tür setzen …« Sie brach ab, als sie Daniel aus der Küche zurückkommen hörte.
»Aber ich sollte jetzt wirklich gehen«, sagte er. Sein Blick ging zu Rizzolis Aktentasche. »Da Sie beide offenbar Dienstliches zu besprechen haben.«
»Ja, das stimmt«, sagte Rizzoli.
Er lächelte Maura an. »Danke für das Essen.« »Warten Sie«, rief Maura. »Daniel.« Sie ging mit ihm vor die Tür und machte sie hinter sich zu. »Sie müssen nicht gehen«, sagte sie.
»Sie will sich unter vier Augen mit Ihnen unterhalten.«
»Es tut mir so Leid.«
»Wieso? Es war ein wunderbarer Abend.«
»Es kommt mir vor, als würden Sie aus meinem Haus vertrieben.«
Er fasste ihren Arm und drückte ihn kurz; eine warme, beruhigende Geste. »Rufen Sie mich an, wann immer Sie das Bedürfnis haben zu reden«, sagte er. »Zu jeder Tagesund Nachtzeit.«
Sie sah ihm nach, als er zu seinem Wagen ging; sein schwarzer Anzug verschmolz mit der Sommernacht. Als er sich umdrehte, um ihr noch einmal zuzuwinken, sah sie seinen
weißen Kragen aufblitzen, ein letzter heller Schimmer in der Dunkelheit.
Sie ging zurück ins Haus und stellte fest, dass Rizzoli noch immer in der Diele
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