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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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etwas sehen Sie doch in Ihren Beruf andauernd.«
    »Ich sehe nicht nur dabei zu, Daniel, ich obduziere selbst. Ich führe das Skalpell, ich seziere Leichen. Ich tue das beinahe täglich, und es hat mir noch nie etwas ausgemacht. Vielleicht bedeutet das ja, dass ich den Bezug zum Rest der Menschheit verloren habe. Ich bin mittlerweile so distanziert, dass ich gar nicht mehr wahrnehme, dass es menschliches Fleisch ist, das ich da zerschneide. Aber an diesem Tag, als ich meinem Kollegen dabei zuschaute, war es mit einem Mal ganz persönlich. Ich habe die Tote angesehen, und ich habe mich selbst dort auf dem Tisch liegen sehen. Jetzt kann ich kein Skalpell mehr zur Hand nehmen, ohne dass ich an sie denken muss. Ohne dass ich darüber nachdenke, wie ihr Leben ausgesehen haben mag, was ihr durch den Kopf gegangen sein mag, als …« Maura brach ab und seufzte. »Es ist mir einfach schwer gefallen, wieder an meine Arbeit zu gehen. Das ist alles.«
    »Müssen Sie das denn unbedingt?«
    Verblüfft über die Frage drehte sie sich zu ihm um. »Habe ich denn eine Wahl?«
    »So, wie Sie es sagen, klingt es wie Schuldknechtschaft.«
    »Es ist mein Beruf. Es ist das, was ich am besten kann.«
    »Das allein ist noch kein Grund, es zu tun. Also, warum tun Sie es?«
    »Warum sind Sie Priester?«
    Jetzt war die Reihe an ihm, verdutzt zu schauen. Er dachte einen Moment lang darüber nach, während er regungslos neben ihr stand, das Blau seiner Augen vom Schatten der Weidenbäume verdunkelt. »Ich habe diese Entscheidung vor
so langer Zeit getroffen«, sagte er, »dass ich mir kaum noch Gedanken darüber mache. Oder meine Wahl in Frage stelle.«
    »Sie müssen fest an Gott geglaubt haben.«
    »Das tue ich immer noch.«
    »Ist das denn nicht genug?«
    »Glauben Sie wirklich, dass ein fester Glaube allein ausreicht?«
    »Nein, natürlich nicht.« Sie wandte sich ab und ging weiter den mit Flecken von Sonnenlicht gesprenkelten Weg entlang. Sie wagte nicht, seinen Blick zu erwidern, weil sie fürchtete, er könne zu viel in ihrem lesen.
    »Manchmal ist es gut, wenn wir mit unserer eigenen Sterblichkeit konfrontiert werden«, sagte er. »Es zwingt uns, neu über unser Leben nachzudenken.«
    »Das würde ich mir lieber ersparen.«
    »Warum?«
    »Selbsterforschung ist nicht gerade meine Stärke. Im Philosophieunterricht habe ich sehr schnell die Geduld verloren. All diese Fragen, auf die es keine Antwort gibt. Aber Physik und Chemie, das konnte ich verstehen. In diesen Fächern fühlte ich mich zu Hause, denn sie vermittelten reproduzierbare und geordnete Prinzipien.« Sie hielt inne und sah einer Frau zu, die auf Inlinern vorüberfuhr und ein Baby in einem Sportwagen vor sich herschob. »Das Unerklärliche ist nicht mein Fall.«
    »Ja, ich weiß. Sie wollen, dass immer alle mathematischen Gleichungen aufgehen. Deswegen bereitet Ihnen der Mord an dieser Frau solche Probleme.«
    »Es ist eine Frage ohne Antwort. Genau das, was ich so hasse.«
    Sie setzte sich auf eine Holzbank am Flussufer. Das Tageslicht begann schon zu schwinden, und in der einsetzenden Dämmerung färbten sich die Fluten schwarz. Er ließ sich neben ihr nieder, und obwohl er sie nicht berührte, war sie sich seiner Nähe so bewusst, dass sie seine Körperwärme an ihrem nackten Arm zu spüren glaubte.

    »Haben Sie von Detective Rizzoli irgendetwas Neues über den Fall gehört?«
    »Man kann nicht gerade sagen, dass sie mich über die Entwicklungen auf dem Laufenden hält.«
    »Würden Sie das denn von ihr erwarten?«
    »Nicht von ihr als Polizistin.«
    »Und als Freundin?«
    »Das ist es ja eben – ich dachte, wir wären Freundinnen. Aber sie hat mir so wenig verraten.«
    »Das können Sie ihr nicht verdenken. Das Opfer wurde vor Ihrem Haus gefunden. Da muss sie sich doch fragen …«
    »Was – ob ich zu den Verdächtigen gehöre?«
    »Oder ob der Anschlag nicht in Wirklichkeit Ihnen galt. Das haben wir alle an diesem Abend geglaubt. Wir dachten, das sind Sie in diesem Wagen.« Er starrte über den Fluss hinweg. »Sie sagten, Sie müssten immerzu an die Autopsie denken. Nun, und ich muss immerzu an diesen Abend denken, daran, wie ich in Ihrer Straße gestanden habe, mit all den Polizeiautos. Ich konnte nicht glauben, dass das alles wirklich passierte. Ich weigerte mich, es zu glauben.«
    Dann schwiegen sie beide. Vor ihren Augen strömte der Fluss dunkel dahin, hinter ihnen rauschte der Autoverkehr.
    Plötzlich fragte sie: »Möchten Sie heute Abend mit mir essen?«
    Er

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