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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Haus riss sie sich sogleich die verschmutzten Kleider vom Leib und duschte ausgiebig. Zweimal seifte sie sich von Kopf bis Fuß ein, um auch noch die letzten Reste des öligen Insektenschutzmittels abzuwaschen. Als sie aus dem Bad
kam, musste sie feststellen, dass sie keine sauberen Sachen mehr hatte. Sie hatte ja ursprünglich nur eine Nacht in Fox Harbor verbringen wollen.
    Sie öffnete den Schrank und blickte auf Annas Garderobe. Die Kleider hatten alle ihre Größe. Was sollte sie denn sonst anziehen? Sie nahm ein Sommerkleid heraus. Es war aus weißer Baumwolle, ein bisschen mädchenhaft für ihren Geschmack, aber für diesen warmen, schwülen Abend schien es ihr genau das Richtige zu sein. Als sie das Kleid über den Kopf zog, schmiegte der hauchdünne Stoff sich sanft an ihre Haut, und sie fragte sich, wann Anna dieses Kleid wohl zum letzten Mal über ihren Hüften glatt gestrichen, wann sie sich zum letzten Mal den Gürtel um die Taille geschlungen hatte. Die Falten im Stoff waren noch zu sehen, dort, wo Anna den Knoten gebunden hatte. Alles, was ich sehe oder berühre, trägt noch ihre Spuren, dachte sie.
    Als das Telefon klingelte, fuhr sie herum und ging rasch zum Nachttisch. Irgendwie wusste sie, noch ehe sie den Hörer abhob, dass es Ballard war.
    »Ich habe Sie gar nicht wegfahren sehen«, sagte er.
    »Ich bin zum Haus zurückgefahren, um zu duschen. Ich war von oben bis unten voll gesaut.«
    Er lachte. »Ich komme mir auch ziemlich dreckig vor. Wann fahren Sie zurück nach Boston?«
    »Es ist ja schon ziemlich spät. Ich denke, da kann ich auch gleich noch eine Nacht hier bleiben. Und Sie?«
    »Ich habe auch keine große Lust, heute Abend noch zu fahren.«
    Ein paar Sekunden verstrichen.
    »Haben Sie denn schon ein Hotel gefunden?«, fragte sie.
    »Ich habe mein Zelt und meinen Schlafsack mitgenommen. Ich werde auf einem Campingplatz hier in der Nähe übernachten.«
    Sie brauchte fünf Sekunden, um zu einem Entschluss zu kommen. Fünf Sekunden, um die Möglichkeiten abzuwägen. Und die Folgen.

    »Hier im Haus ist noch ein Schlafzimmer frei«, sagte sie. »Das können Sie gerne benutzen.«
    »Ich möchte Ihnen nicht zur Last fallen.«
    »Das Bett steht hier, Sie müssen sich einfach nur reinlegen, Rick.«
    Eine Pause. »Das wäre prima. Aber nur unter einer Bedingung.«
    »Und die wäre?«
    »Sie lassen mich das Essen besorgen. Unten in der Main Street gibt es ein Restaurant mit Straßenverkauf. Nichts Ausgefallenes, vielleicht nur ein bisschen gekochten Hummer.«
    »Ich weiß ja nicht, was Sie für Vorstellungen haben, Rick, aber für mich ist Hummer schon etwas ziemlich Ausgefallenes.«
    »Möchten Sie lieber Wein oder Bier?«
    »Heute Abend ist mir, glaube ich, mehr nach Bier zumute.«
    »Ich bin in etwa einer Stunde bei Ihnen. Ich hoffe, Sie haben reichlich Appetit.«
    Sie legte auf, und in diesem Moment merkte sie, dass sie einen Bärenhunger hatte. Noch vor wenigen Minuten war sie zu müde gewesen, um in die Stadt zu fahren, und hatte mit dem Gedanken gespielt, aufs Abendessen zu verzichten und einfach früh zu Bett zu gehen. Jetzt hatte sie plötzlich großen Appetit – nicht nur auf Essen, sondern auch auf Gesellschaft.
    Ruhelos irrte sie im Haus umher, getrieben von allen möglichen widerstreitenden Wünschen und Begierden. Es war erst ein paar Tage her, dass sie mit Daniel Brophy zu Abend gegessen hatte. Aber die Kirche hatte Daniel schon vor langer Zeit für sich beansprucht, und bei ihm würde sie nie eine ernsthafte Chance haben. Hoffnungslose Fälle hatten vielleicht ihren besonderen Reiz, aber sie machten einen nur selten glücklich.
    Sie hörte Donnergrollen und eilte zur Tür. Draußen war
die Dämmerung inzwischen in die Nacht übergegangen. Sie konnte keine Blitze sehen, und dennoch schien die Luft wie elektrisiert. Aufgeladen mit Möglichkeiten. Regentropfen begannen auf das Dach niederzuprasseln. Anfangs war es nur ein zögerndes Plätschern, doch dann öffnete der Himmel seine Schleusen, und es war, als schlügen hundert Kodo-Trommler gleichzeitig auf das Dach ein. Seltsam erregt durch die Urgewalt des Gewitters, stand sie auf der Veranda und sah dem Wolkenbruch zu, genoss die kühle Brise, die sich in ihrem Kleid fing und in ihren Haaren spielte.
    Ein Scheinwerferpaar brach durch den silbrigen Regenvorhang.
    Sie stand regungslos auf der Veranda, und ihr Herz hämmerte ebenso heftig wie der Regen, als der Wagen vor dem Haus anhielt. Ballard stieg aus, beladen mit einer großen

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