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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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ansetzt. »Bereit.«
    Der Regen trommelte im Hintergrund unermüdlich seine Begleitmusik, während sie Scheren abdrehten, Panzer knackten und Stück für Stück köstlichen weißen Fleisches herauspulten. Sie verzichteten auf Gabeln und aßen einfach mit den Fingern, öffneten mit butterverschmierten Händen neue Bierflaschen und zerteilten die Ofenkartoffeln, um das lockere, köstlich duftende Innere herauszulöffeln. An diesem Abend waren Tischmanieren vollkommen unwichtig; es war ein Picknick, sie saßen barfuß am Tisch und leckten sich ungeniert die Finger ab. Und tauschten dabei verstohlene Blicke.
    »Das macht viel mehr Spaß, als mit Messer und Gabel zu essen«, sagte sie.
    »Haben Sie denn noch nie Hummer mit den Fingern gegessen?«
    »Ob Sie’s glauben oder nicht, das ist das erste Mal, dass ich es mit einem zu tun hatte, der noch in seinem Panzer steckte.« Sie griff nach einer Serviette und wischte sich die Butter von den Fingern. »Sie müssen bedenken, dass ich ja nicht aus Neuengland stamme. Ich bin erst vor zwei Jahren aus San Francisco hierher gezogen.«
    »Das überrascht mich ein wenig.«
    »Wieso?«
    »Sie wirken auf mich wie die typische Nordstaatlerin.«
    »Und das heißt was?«
    »Verschlossen. Zurückhaltend.«
    »Das versuche ich auch zu sein.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass Sie in Wirklichkeit ganz anders sind?«
    »Wir spielen alle unsere Rollen. Ich setze meine offizielle Maske auf, wenn ich im Dienst bin. Die Maske, die ich immer trage, wenn ich Dr. Isles bin.«
    »Und wenn Sie mit Freunden zusammen sind?«
    Sie nahm einen Schluck von ihrem Bier und setzte die
Flasche behutsam ab. »Bis jetzt habe ich noch nicht so viele Freunde in Boston.«
    »Es dauert eben eine Weile, wenn man fremd ist.«
    Fremd. Ja, so kam sie sich vor, jeden Tag aufs Neue. Sie sah Cops, die sich gegenseitig auf die Schultern klopften. Hörte sie von Grillpartys und Softballpartien reden, zu denen sie nie eingeladen würde, weil sie keine von ihnen war, kein Cop. Das Kürzel Dr. vor ihrem Namen war wie eine Mauer zwischen ihr und den anderen. Und ihre Kollegen in der Rechtsmedizin, allesamt verheiratet, wussten auch nicht so recht etwas mit ihr anzufangen. Attraktive geschiedene Frauen waren unbequem, brachten ihre Mitmenschen in Verlegenheit. Entweder wurden sie als Bedrohung gesehen oder als Versuchung, der niemand erliegen wollte.
    »Und was hat Sie nach Boston gebracht?«, fragte er.
    »Ich denke, ich musste einfach mal mein Leben tüchtig umkrempeln.«
    »Sie hatten Ihren Job satt?«
    »Nein, das war es nicht. Ich war eigentlich ganz glücklich dort an der medizinischen Fakultät. Ich war als Pathologin in der Uniklinik beschäftigt. Und ich hatte Gelegenheit, mit all diesen hoch begabten jungen Assistenzärzten und Studenten zusammenzuarbeiten.«
    »Also, wenn es nicht der Job war, dann muss es wohl die Liebe gewesen sein.«
    Sie senkte den Blick, starrte die Überreste ihres Abendessens an. »Gut geraten.«
    »Und das ist jetzt die Stelle, wo Sie mir sagen, ich soll mich nicht in Ihre Privatangelegenheiten einmischen.«
    »Meine Ehe wurde geschieden, das ist alles.«
    »Irgendwas, worüber Sie gerne reden möchten?«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Was soll ich sagen? Victor war hoch begabt, unglaublich charismatisch …«
    »Mensch, ich bin jetzt schon ganz eifersüchtig.«
    »Aber mit so einem Mann kann man auf Dauer nicht
verheiratet sein. Es ist zu intensiv. Es brennt einen so schnell aus, dass man am Ende keine Kraft mehr hat. Und er …«
    Sie brach ab.
    »Was?«
    Sie griff nach ihrem Bier. Bedächtig trank sie einen kleinen Schluck und setzte es wieder ab. »Er war nicht ganz aufrichtig zu mir«, sagte sie. »Das ist alles.«
    Sie wusste, dass er gerne mehr gehört hätte, doch der bestimmte, endgültige Ton ihrer letzten Bemerkung war ihm nicht entgangen. Bis hierher und nicht weiter. Er stand auf und ging zum Kühlschrank, um noch zwei Flaschen Bier zu holen, öffnete sie und reichte ihr eine.
    »Wenn wir über unsere Expartner reden wollen«, meinte er, »werden wir noch wesentlich mehr Bier brauchen.«
    »Dann lassen wir es lieber. Wenn es wehtut.«
    »Vielleicht tut es ja nur weh, weil Sie nicht darüber reden.«
    »Niemand will die Geschichte meiner Scheidung hören.«
    Er setzte sich und sah sie über den Tisch hinweg an. »Ich schon.«
    Kein Mann, dachte sie, hat mir je so viel ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt. Er sah sie unverwandt an, und sie konnte den Blick nicht von ihm wenden. Sie

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