Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
gedacht.“
Der „Plätz“ wanderte zurück in meine Hand.
„Wirklich,
wir haben auf der Fahrt hierher schon etwas gegessen. Ich kann nicht mehr.“
Der „Plätz“ lag wieder auf dem Teller.
Ingrid verengte ihre Augen zu Schlitzen:
„Warum?“
„Warum?“,
fragte ich erstaunt zurück. „Warum was?“
„Warum
habt ihr etwas gegessen?“
Es war unmöglich, dass Ingrid durch die Schlitze noch etwas sehen
konnte.
„Weil
wir Hunger hatten?“, meine Feststellung klang mehr wie eine Frage.
„ Rigoletto !“ Ingrid sah ihren Sohn nun strafend an. „Hast du
jemals nichts Vernünftiges zu essen bekommen, wenn du nach Hause zu deiner
Mutter gekommen bist?“
„Immer,
Mama, immer.“ Rigoletto kaute seit geraumer Zeit an
einem Makronen-ähnlichen Ding herum und konnte nur mit Mühe sprechen.
Selbstverständlich war ich versucht, einzuwerfen, dass ich sehr wohl schon mal nichts zu essen
bekommen hatte, sparte mir aber die Bemerkung. Stattdessen trank ich meinen Tee
aus und hoffte, dass Igerich beim Nachschütten etwas
umwerfen würde. Wir mussten irgendwie von dieser Plätzchen-Sache wegkommen.
„Was?“
Ingrids Augen waren immer noch schmale Schlitze und sie sah nun abwechselnd
ihren kauenden Sohn und mich an.
„Bitte?“,
fragten wir gleichzeitig nach.
„ Was habt ihr gegessen?“
Wieder sprachen wir gleichzeitig. Ich sagte:
„Nur
ein bisschen Obst und ein paar Cracker“ und Rigoletto sagte:
„Miranda hat Plätzchen für die Fahrt
mitgenommen.“
Mist. Ich sah meinen Freund erstaunt an. Warum musste er seiner
Mutter die Wahrheit sagen? Und warum klangen seine Worte, als wolle er mir die
Schuld in die Schuhe schieben? Ingrid sah derweil weiter von einem zum anderen
und schwieg.
Ich blickte hilfesuchend zu Igerich , der
aber keinerlei Anstalten machte, seine Teetasse oder irgendetwas anderes umzuwerfen.
Im Gegenteil, er saß ganz still und betrachtete die Szene aufmerksam. Meinen
Blick auf meine leere Teetasse ignorierte er. Nach ungefähr einer Minute wurde
das Schweigen unerträglich. Ich suchte krampfhaft nach etwas, was ich sagen
konnte, um die Situation zu retten. Da passierte es. Aus Ingrids rechtem Auge
kullerte eine riesige Träne.
„Na
gut, wenn ihr schon gegessen habt, dann können wir ja abräumen“, sagte sie
leidend und ließ eine zweite Träne kullern. Dann stand sie auf, trug ihren
Teller in die Küche und ging auf den Balkon, um zu rauchen. Auf halbem Wege
drehte sie sich kurz um und sagte:
„ Rigoletto ?“
Selbstverständlich stand ihr Sohn sofort auf und folgte seiner
Mutter auf den Balkon. Ich saß kurze Zeit perplex am Tisch und versuchte, das
Geschehene zu verstehen. Es gelang mir nicht, also räumte ich den Tisch ab. Igerich war mal wieder lautlos und unbemerkt verschwunden.
Ich war gerade mit dem Aufräumen fertig, als Rigoletto zu mir in die Küche kam. Er roch nach Rauch und brachte noch etwas eisige Kälte
von draußen mit in das Haus.
„Meine
Mutter fühlt sich nicht gut. Sie lässt sich entschuldigen und geht schon mal
ins Bett“, erklärte er mir vorwurfsvoll, als wäre es meine Schuld, dass er
seiner Mutter von meinen Plätzchen erzählt hatte.
Ich seufzte. Das würde ein langes Fest der Liebe werden. Ohne
Zauber und ohne weihnachtlichen Glanz.
„Warum
hast du deiner Mutter von den Plätzchen erzählt?! Man kann sich doch denken,
dass sie das nicht toll findet, dass wir vorher schon welche gegessen haben. Du
hättest doch wissen müssen, dass sie mit Plätzchen auf uns wartet. Ist ja nicht
dein erstes Weihnachten mit deinen Eltern!“
„In
meiner Familie pflegen wir die Wahrheit zu sagen“, erklärte Rigoletto stolz.
„Und
meine Familie stammt in erster Linie von Pinocchio ab?“, fragte ich schnippisch nach.
Eine kleine, höfliche Notlüge fiel wohl kaum unter das Strafgesetz.
„Natürlich
nicht.“ Rigoletto sah mich nun versöhnlich an: „Meine
Mutter ist vor Weihnachten immer etwas empfindlich, weil sie sich so viel
Arbeit macht, damit das Fest perfekt wird.“
„Ja,
so ist das
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