Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
mit Weihnachten“, sagte ich, um nicht zu sagen, dass alle Mütter
dieser Welt sich viel Mühe mit dem Weihnachtsfest geben und trotzdem nicht in
anklagende Tränen ausbrechen, wenn ihr Sohn ein Fremd-Plätzchen gegessen hat.
„Weißt
du“, sah mich Rigoletto durchdringend an, „es wäre
vielleicht gut, wenn du meiner Mutter morgen sagen könntest, wie wunderbar ihre
Plätzchen sind.“
Wenn er mir gesagt hätte, dass am nächsten Morgen Schneewittchen und
alle sieben Zwerge zum Frühstück vorbeikämen, ich wäre deutlich weniger
erstaunt gewesen.
„Ich
dachte, in eurer Familie wird nicht gelogen?“, fragte ich so ruhig ich konnte
nach.
Dem Blick zufolge, den Rigoletto mir
zuwarf, hatte er auch einen „Schneewittchen-kommt-zum-Frühstück-mit-allen-Zwergen-Moment“.
„Mira,
du hast die Plätzchen doch probiert. Sie sind fantastisch!“
Mir fiel die Sache mit dem Kult wieder ein. Wie viele Jahre
grausamste Gehirnwäsche und Geschmackswäsche mit furztrockenen Plätzchen lagen
wohl hinter Rigoletto ?
„Wie
weit ist das nächste Lokal von hier? Wir können doch Essen gehen und du zeigst
mir mal, wo du als Jugendlicher abgehangen hast.“
Ich tat, was ich am besten konnte seitdem ich meine Schwiegermutter
kennengelernt hatte. Ich tat so, als wäre nichts geschehen und wechselte abrupt
das Thema. Außerdem graute mir bei der Vorstellung, einen Abend in unserem
Zimmer auf dem Bett zu hocken und nicht die eine Frage zu stellen, die mir auf
der Seele brannte: Fand Rigoletto die Kekse seiner
Mutter wirklich so gut wie meine?
„Gute
Idee. Ist zwar ein bisschen Fahrerei, aber das machen wir“, stimmte Rigoletto versöhnlich zu.
Kapitel 9
Der nächste Morgen war Heiligabend, oder, genauer gesagt,
Heiligabend-Morgen. Es gab ein opulentes Frühstück ohne besondere Vorfälle und
inklusive einer gutgelaunten Ingrid, die mein Lob ihrer Plätzchen huldvoll
entgegengenommen hatte. Obwohl ich soweit über meinen Schatten gesprungen war,
dass ich ernsthaft eine olympische Karriere im Weitsprung überdachte, begann
ich, mich wieder auf das anstehende Weihnachtsfest zu freuen. Dabei nahm ich
gerne in Kauf, dass ich zwei Stunden mit meinem Hasen in Unter-Oberstein
verbringen musste. Was nicht ganz einfach war. Wer jemals in Unter-Oberstein
war, der weiß, dass Unter-Oberstein aus einer Bäckerei, einer Metzgerei und
einem Supermarkt mit angeschlossenem Postamt besteht.
Ingrid hatte uns, ohne Gegenwehr zuzulassen, aus dem Haus
geschickt, um den Weihnachtsbaum fertig zu schmücken. Da ihr Sohn selbigen noch
nie vor der Bescherung hatte sehen dürfen, war es für sie nicht vorstellbar,
dass Rigolettochen mit seinen 34 Jahren zumindest
ahnen könnte, dass der Weihnachtsbaum und die Geschenke nicht das Werk des
Weihnachtsmannes, Christkindes oder hilfreicher Elfen waren.
Die vier großen Becher Kaffee am Stehtisch in der Bäckerei waren
nicht unbedingt geeignet, meine steigende Aufregung vor dem ersten
Weihnachtsfest mit dem Mann, den ich gedachte zu heiraten, zu mindern.
Wie würde mein Freund sein Geschenk und damit unser zukünftiges
gemeinsames Hobby finden? Was würde er mir schenken? Etwas Glitzerndes
vielleicht? Wie würde der erste Heiligabend ohne meine Familie, aber
stattdessen mit seinen Eltern ablaufen? Welche geheimen Weihnachtsbräuche
warteten noch auf mich? Würde ich es schaffen, kein einziges der Staubplätzchen
mehr essen zu müssen? Fragen über Fragen.
Am frühen Nachmittag - pünktlich zur Bäckerei-Schließung - durften
wir endlich wieder nach Hause und ich war mittlerweile so aufgeregt wie ein
Fox-Terrier, dem man sein Lieblingsspielzeug vor die Nase hält und immer wieder
wegzieht. Wenn mich jemand in diesem Moment nach meinem größten
Weihnachtswunsch gefragt hätte, ich hätte mir ein Hamster-Laufrad gewünscht, um
mich abzureagieren. Ich beschloss, nachdem ich pflichtschuldig gefragt hatte,
ob ich etwas helfen könne, mich ein wenig hinzulegen und zu beruhigen. Zu
meiner Überraschung wurden mir bereits nach wenigen Minuten die Augen schwer
und ich schlief ein.
Als ich nach zwei Stunden wieder aufwachte, war ich nicht mehr
aufgeregt, sondern mein Kreislauf so am Boden, dass ich fürchterliche
Kopfschmerzen hatte. Im Haus war es vollkommen still. Vielleicht waren die
anderen Kräuter sammeln gegangen? Vielleicht waren Heiligabend nachmittags
gepflückte Kräuter
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