Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
Heimeliger hätte ich das Haus nicht schmücken können. Sollten
Ingrid und ich doch etwas gemein haben, außer der Liebe zu ihrem Sohn? War sie
etwa auch ein Weihnachtsjunkie?
„Ach
ich freu mich ja so, dass ihr da seid“, flötete Ingrid als wir ins Wohnzimmer
kamen, nachdem wir das Gepäck in unserem Zimmer verstaut hatten.
„Ich
habe dir einen kleinen Teller mit meinen besten Plätzchen zurecht gemacht“,
wies sie strahlend mit ihrer Hand zum Tisch.
„Auch
wenn die Hosen etwas spannen, Weihnachten wollen wir ja nun wirklich nicht ans
Abnehmen denken.“
Mit diesen Worten zog sie demonstrativ an meinem Hosenbund und
schob mich Richtung Tisch. Meine Mutter hatte mir beigebracht, in Gegenwart
anderer Menschen weder in der Nase noch in den Ohren zu bohren - ich war
versucht es trotzdem zu tun. Hatte Ingrid wirklich gesagt, was sie gesagt
hatte? Meine Ohren mussten einfach verstopft sein. Meine Weihnachtsstimmung war
wie weggeblasen. Schlecht gelaunt ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen. Igerichs Frage – er war mal wieder aus dem Nichts
aufgetaucht – ob ich eine Tasse Tee wolle, quittierte ich mit einem bösen
Blick. Er goss mir trotzdem lächelnd ein.
„Alle
selbst gebacken. Rigolettolein hat mir erzählt, dass
du auch so gute Weihnachtsplätzchen backst, sollen fast so gut schmecken wie
meine“, flötete Ingrid und drückte mir eines ihrer Plätzchen in die Hand, obschon
direkt vor mir bereits der gefüllte Teller stand.
Sie selbst schob sich ein Plätzchen von einem Ausmaß, dass man es
eher „Plätz“ hätte nennen sollen, in den Mund.
„Jetzt
ist Weihnachten, was mein Junge“, strahlte Ingrid dann ihren Sohn an, der
irgendwie wirkte, als hätte er zu viele Kaugummis im Mund.
Als ich in mein Plätzchen biss, wusste ich sofort, warum ‚der
Junge’ so merkwürdig kaute. Es war, als hätte ich mir einen großen Löffel Staub
in den Mund geschoben. Während der Geschmack sich in meinem Mund entfaltete,
merkte ich, dass die Plätzchen nur wenig mit Staub zu tun hatten. Sie waren so
süß, dass es eher wie ein Löffel gebackener Puderzucker wirkte, was einem da
den Mund verklebte. Nur mit Mühe und einem großen Schluck Tee schaffte ich es,
das Plätzchen in meinen Magen zu befördern.
Ich sah Igerich dankbar an, dass er mir
trotz meines bösen Blicks eingeschüttet hatte. Der Mann hatte wahrscheinlich
bereits so viele von den Plätzchen essen müssen, dass er wusste, dass es ohne Tee nicht ging. Ob es sich wieder
um seinen berüchtigten Alkohol-Tee handelte, konnte ich nicht feststellen. Der
Tee schmeckte so stark nach Vanille, dass es im gesamten Hauptanbauland Madagaskar
keine einzige Vanilleschote mehr geben konnte.
Während ich die letzten am Gaumen festklebenden Überreste des
Puderzuckers mit der Zunge wegzukratzen versuchte, dachte ich darüber nach, ob
mein Hase wirklich gesagt haben konnte, dass meine Plätzchen fast so gut seien
wie die seiner Mutter. Und wenn er es gesagt hatte, hatte er glatt gelogen?
Oder war dies ein weiterer Beweis seines kompletten Realitätsverlusts, wenn es
um seine Mutter ging? Ich war bekannt für meine guten, saftigen, niemals
staubigen Plätzchen. Über Jahre hatte ich die Kunst des
Weihnachtsplätzchenbackens verfeinert und mein Ehrgeiz ging so weit, dass ich
in einem Jahr drei Ladungen Zimtsterne weggeworfen hatte, nur weil sie in der
Mitte ein klein wenig zu hart geworden waren. Kein normaler Mensch konnte
Ingrids Staubbrocken mit meinen Plätzchen vergleichen.
„Köstlich,
Ingrid, ganz köstlich“, sagte ich und war mal wieder stolz darauf wie gut ich
lügen konnte. Und wie gut ich darin war, den Hustenreiz zu unterdrücken, den
ihre Plätzchen verursachten.
„Ja,
nicht wahr“, sagte Ingrid stolz. „Die sind alle quasi ohne Zucker und nur mit
Vollkornmehl gebacken, ganz natürlich eben, genau wie wir es mögen. Probiere
auch noch die, das sind Rigolettos Lieblingskekse,
die hat er schon als kleiner Junge so gern gegessen.“
Und schon hatte ich einen von diesen „Riesen-Plätz“ in der Hand.
„Danke,
ich glaube ich schaffe keinen mehr“, sagte ich höflich und legte den
„Plätz" auf meinen Teller.
„Nein,
nein, nein.“ Ingrid schüttelte den Kopf: „Wir haben doch ausgemacht, Weihnachten
wird nicht an die Waage
Weitere Kostenlose Bücher