Schwiegertöchter (German Edition)
neben sich. »Setz dich. Ich glaube, deshalb hat sie angerufen. Weil nichts passiert ist.«
Edward setzte sich.
»Und – und hattest du diesmal Lust, mit ihr zu reden?«
»Hatte ich«, sagte Sigrid. »Wir haben zehn Minuten miteinander geplaudert. Ich glaube, sie ist sehr traurig.«
»Wegen Petra?«
»Ja, auch. Aber eigentlich, weil sie jetzt zu niemandem mehr richtig Kontakt hat. Die Einzige, die in der Nähe ist, ist Petra, und sie reden nicht mehr miteinander. Sie klang – na ja, sie klang verloren.«
Edward schaute zu Sigrid.
»Und du klingst beinahe, als würde sie dir leid tun.«
»Das tut sie«, bestätigte Sigrid.
Edward wartete einen Moment und nahm dann Sigrids Hand. Zögernd sagte er: »Darf ich fragen, wie – wie es dazu gekommen ist?«
Sigrid zog ihre Hand nicht weg.
»Sie arbeitet nicht«, begann Sigrid. »Sie hat nie einen richtigen Job gehabt. Meine Mutter hat mir erzählt, dass ihre Arbeit sie gerettet hat, als ihre beiden Kinder Schweden verlassen haben. Sie hat es nicht direkt so ausgedrückt, aber das hat sie gemeint. Ich habe viel darüber nachgedacht, seit ich wieder zu Hause bin.«
Edward schwieg. Er verschränkte seine Finger mit denen von Sigrid und drückte ihre Hand.
»Meine Mutter hat außerdem gesagt, obwohl sie immer gewusst habe, dass Kinder nur geliehen und kein Eigentum seien, es wäre sehr schwer gewesen, loszulassen. Das würde uns mit Mariella auch mal so gehen, und wir sollten dafür sorgen, dass wir eine interessante Arbeit haben und dass zwischen uns genug existiert, das unsere Beziehung ausfüllt, damit wir Mariella nicht um ihre Zeit und Aufmerksamkeit anflehen müssten, die sie für ihr eigenes Leben braucht. Sie hat gesagt …«, Sigrid hielt inne.
Sie entzog Edward ihre Hand nicht, legte aber ihre freie Hand einen Moment über die Augen und fuhr dann mit nicht mehr ganz fester Stimme fort: »Meine Mutter hat gesagt, du bist ein guter Mann.«
Ein verlegener Laut löste sich aus Edwards Kehle. Es war zwar wunderbar, wenn Sigrid in einer ihrer ernsten, beinahe melancholischen skandinavischen Stimmungen war, aber er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte, ohne theatralisch zu klingen. Also saß er einfach neben ihr, hielt stumm ihre Hand, erfreut und befangen zugleich, und dann lehnte sie sich plötzlich zu ihm, küsste ihn auf den Mund und sagte leidenschaftlich:
»Und das bist du wirklich .«
Petra hatte die Arme um die Knie gelegt und saß auf dem Boden neben Kits Bett. Kit schlief quer über dem Kissen, die Hände über dem Kopf. Gegenüber lag Barney bewegungslos in dem altmodischen Kinderbettchen, in dem schon Ralph und seine Brüder geschlafen hatten, und starrte Petra durch die Gitterstangen an, die Augen kreisrund vor Anstrengung, sie offen zu halten.
Beide Jungs waren während des Badens sehr ruhig gewesen, hatten still im Wasser gesessen und ohne Streit und Wasserschlacht gespielt und auch keinen Aufstand gemacht, als es Zeit war, aus der Wanne zu steigen. Barney ließ sich sogar friedlich eine frische Windel anlegen, ohne sich auf der Badematte auf alle viere herumzuwerfen, um sofort zur Tür hinaus auf den Treppenansatz zu krabbeln. Und als Ralph anrief, diesmal ziemlich pünktlich um sechs Uhr, hatte Kit nicht geweint oder ihn laut aufgefordert, nach Hause zu kommen, sondern einfach dagesessen, Petras Telefon ans Ohr gedrückt und genickt, aber nichts gesagt, nichts geantwortet.
Hoffentlich hatten sie und Steve ihnen keine Angst eingejagt mit ihrem Streit. Es war nicht so ein Streit gewesen, wie sie ihn mit Ralph hatte, wenn er schrie oder türenknallend das Haus verließ, aber die Stimmung war so angespannt gewesen, dass jemand wie Kit das spüren musste und es auf Barney übertrug, der dann mit keinem Marmeladentoast mehr abgelenkt werden konnte, sondern wimmernd zu ihren Füßen krabbelte und sich nach oben zog, um sich an ihr Knie zu lehnen und mit vor Bangigkeit weit aufgerissenen Augen hoch zu ihrem Gesicht zu starren. Jetzt starrte er noch immer, als hätte er Angst, sie könnte verschwinden, wenn er die Augen zumachte, und wäre nicht mehr da, wenn er sie wieder öffnete, so wie bei Ralph. Sie war entsetzt über sich selbst. Warum war es ihr in diesen ganzen begriffsstutzigen, diffusen Wochen, in denen sie sich nur geweigert hatte, sich dem Unausweichlichen zu stellen, nie in den Sinn gekommen, dass sie ihre Kinder verängstigt haben könnte – und obendrein sich selbst?
Warum hatte sie das nicht bedacht? Warum hatte sie es
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