Schwiegertöchter (German Edition)
Misshandlung definiert.«
Ralph beugte sich vor und zischte Luke seine Worte entgegen: »Ich mache diesen verdammten Job hier, um sie alle zu versorgen.«
Luke sah ihn an. Er ließ einen Moment verstreichen und sagte dann: »Das stimmt. Ein heroischer Kampf, um die Rechnungen zu bezahlen. Nachdem du vorher dein Onlinegeschäft in den Sand gesetzt und Petra nichts davon gesagt hast, um ihr dann, ohne sie auch nur zu fragen oder in deine Überlegungen mit einzubeziehen, einfach mitzuteilen, was du als Nächstes vorhast, und ihr mit deinen plötzlichen Plänen Angst zu machen und ihr ganzes Leben umzukrempeln. Das ist alles.«
Es folgte ein erstauntes Schweigen, und dann höhnte Ralph: »Das sind ja ganz neue Töne.«
»Ich hatte Zeit zum Nachdenken«, sagte Luke. »Es ist einiges passiert. Du hast dich einfach die ganze Zeit von Mum und Dad rumschubsen lassen, und wenn was schiefläuft, lässt du es an Petra aus. Es ist nicht ihre Schuld. Sie hat sich immer bemüht, den Erwartungen anderer gerecht zu werden, bis es ihr zu viel wurde und sie sich auf irgendeinen Blödsinn einließ, wie mit dem Typ, und wir daraufhin alle an die Decke gehen.«
»Dann machst du also immer, was Charlotte will?«, fragte Ralph sarkastisch. »Wenn sie es will, dann muss es richtig sein?«
»Nicht unbedingt«, sagte Luke, ohne auf den Ton seines Bruders einzugehen.
Ralph griff nach seinem Bierglas und stellte es wieder ab. »Aber da ist dieser Kerl. Und ich hab keine Ahnung, was da läuft, außer dass er mit meinen Kindern zusammen ist und mir das nicht gefällt.«
»Na ja, du bist nicht mit ihnen zusammen«, stellte Luke fest.
»Ich hab es dir doch erklärt. Ich reiße mir den Arsch auf, um …«
»Blödsinn«, sagte Luke.
Ralph machte eine ruckartige Bewegung, als wolle er sich sein Jackett schnappen und sich ohne ein weiteres Wort durch die Menge nach draußen schieben. Aber dann zögerte er. Er nahm die Hand vom Jackett.
»Es gefällt dir, diesen Job zu machen«, meinte Luke. »Es gefällt dir, gut darin zu sein. Das ist okay. Aber tu nicht so, als würdest du es nur machen, um die Mäuler deiner verhungernden Kinder zu stopfen, komm mir nicht mit diesem edlen Selbstaufopferungsscheiß . Lass es. Und mach dich nicht zum totalen Idioten, indem du für das Sorgerecht deiner Kinder kämpfen willst.« Er blickte Ralph an. »Herrgott«, rief er. »Mach dich nicht lächerlich!«
Ralph beugte sich über sein Glas. Er schwieg eine Weile und fragte dann mürrisch: »Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?«
Luke nahm sein Bier, trank es aus und knallte das Glas auf das Brett.
»Geh nach Hause«, sagte er.
Petra beschloss, den Bus zu nehmen. Abgesehen von allem anderen war er auch billiger als der Zug, und bei dem Gedanken, in London mit dem Auto zu fahren, wurde ihr trotz ihres neuen Unternehmungsgeistes ganz flau. Ralph hatte ihr einen Scheck geschickt – ihn ohne begleitende Nachricht in einen Umschlag gesteckt, Name und Adresse vom Computer auf ein Etikett gedruckt –, aber sie hatte nicht das Gefühl, ihn einlösen zu können. Sie hatte ihn unter ein Glas Erdnussbutter auf dem Tisch geschoben und gehofft, er würde in dem ganzen Durcheinander irgendwie verschwinden und sie nicht weiter beunruhigen. Sie wollte das Geld nicht, und Ralphs Unterschrift auf dem Scheck verstörte sie. Sie stellte das Erdnussbutterglas direkt darauf, so dass sie sie nicht mehr sehen konnte.
In einer Teekanne, die sie nie benutzten, hatte sie ein paar Geldscheine versteckt. Das hatte sie ihr ganzes Leben lang getan, seit sie klein war, Geld in Taschen und Schachteln und Kissenbezügen gehortet, weil Geld für sie immer Flucht bedeutet hatte. Man brauchte nicht viel, aber man musste genug parat haben, um verschwinden zu können, um seinem Impuls folgen zu können, zur Flucht, zum Essen – oder zum Zeichenunterricht. Wenn sie alle von Ipswich aus zu einer wenig verkehrsreichen Zeit mit dem Bus fuhren, und mit Barney, der ja noch ein Baby war, würde die Fahrt weniger als zwanzig Pfund kosten. Und einmal in London, konnte sie immer noch überlegen, wie es weiterging.
Sie machte sich nicht allzu viele Gedanken darum, wie es weiterging. In ihrer gegenwärtigen Stimmung – die sie seinerzeit tapfer den Abschied von ihrer Großmutter und jene unsicheren, aber letztlich erfolgreichen Jahre zwischen kümmerlichen Jobs und Kunstschule hatte meistern lassen – war sie ziemlich sicher, dass ihr etwas einfallen würde. Es war, als wäre sie nach
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