Schwiegertöchter (German Edition)
schwangeren Frau. Ich habe auch nein gesagt, weil wir uns in dieser Angelegenheit erwachsen verhalten müssen, es ist unser Baby, unsere Ehe, und wir müssen damit zurechtkommen, ohne jedes Mal um Hilfe zu jammern, wenn es mal ein bisschen schwierig wird. Ich habe nein gesagt, weil wir nicht so in der Schuld deiner Mutter stehen wollen, und weil sie begreifen muss, dass du jetzt zu mir gehörst, nicht mehr zu ihr, und du musst das auch begreifen, vor allem jetzt mit dem Baby. Und ich habe nein gesagt, weil …«
»Hör auf«, sagte Charlotte.
»Du hast versprochen, mich nicht …«
»Ich hab genug gehört.«
»Dann denke bitte über das nach, was ich gesagt habe, darüber, was es bedeutet, wenn wir immer weiter abhängig bleiben und zulassen, dass unsere Eltern …«
»Ich habe nachgedacht«, unterbrach ihn Charlotte.
Luke stöhnte leise. Er löste die Hände von Charlotte und bedeckte sich kurz die Augen.
»Also gut«, sagte er müde.
»Ich habe nachgedacht«, wiederholte Charlotte. »Und obwohl ich annehme, dass Mummy ziemlich gekränkt war, nachdem sie so großzügig gewesen ist, finde ich, dass du recht hattest.«
»Was?«
Charlotte zog den Bademantelgürtel zusammen. Dann lächelte sie Luke an.
»Du hast mich richtig verstanden. Ich habe gesagt – ich finde, dass du recht hattest.«
Die ersten beiden Arbeitswochen waren für Ralph, offen gesagt, ziemlich surreal gewesen. In dem fremden, unpersönlichen Zimmer spätestens um sechs Uhr aufzustehen, war schon ungewöhnlich genug, aber eine Stunde später geduscht, rasiert, angezogen und mit einem mitgebrachten Kaffee und Muffin am Schreibtisch zu sitzen, hatte für ihn beinahe Filmqualität. Um sieben Uhr gaben die Firmen die Mitteilungen raus, die als Grundlage für Ralphs Analysen dienten. Und wenn sieben Uhr in der Vergangenheit bedeutet hatte, zum ersten Mal widerwillig wahrzunehmen, dass Kit und Barney hellwach waren, bedeutete es jetzt, in einer Bank zu sitzen, deren Mitarbeiter bereits fast vollzählig an ihren Plätzen auf den ersten Adrenalinstoß des Tages warteten. Die ersten drei Tage war Ralph um die Mittagszeit so kaputt gewesen, dass er sich gefragt hatte, wie die anderen es schafften, bis in den frühen Abend hinein Höchstleistungen zu bringen, aber dann erfasste ihn eine kollektive Dynamik und trug ihn weiter, als würde er auf einer Riesenwelle reiten.
Natürlich ließ ihn die Welle dann am Abend hart aufprallen. Er hatte vage alle möglichen aufregenden Sachen geplant, wie er die Abende verbringen würde, aber die Realität sah so aus, dass er gleichzeitig zu aufgedreht und zu erschöpft war, um noch irgendetwas Konstruktives zu unternehmen. Er konnte verstehen, warum seine Kollegen tranken und ganz selbstverständlich von ihren Drogendealern sprachen, denn man wusste kaum etwas mit sich anzufangen, sobald die Maschinen für die Achterbahnfahrten des Tages ausgeschaltet worden waren. Er war im Kino und am Küchentisch von Edward und Sigrid eingeschlafen, er hatte mit ein paar Arbeitskollegen und mit Luke zu viel getrunken, er hatte Tickets für Veranstaltungen gekauft, zu denen er es dann doch nicht geschafft hatte, er hatte sogar ein Fußballspiel im Emirates Stadium verpasst, weil er zur Zeit des Anpfiffs noch immer arbeitete. Außer von Kaffee und Muffins und Alkohol hatte er sich von Fertigmahlzeiten in Styroporpackungen ernährt, die er in die Mikrowelle der kleinen, ansonsten unbrauchbaren Küche der Wohnung schob und dann auf dem Bett liegend löffelte, Schuhe und Fernseher an.
Und dann war da noch Petra. Er hatte Kit in Petras Hörweite versprochen, dass er jeden Abend um sechs Uhr anrufen würde. Auch am Wochenende, weil er derzeit natürlich wegen Petras Trotz und Halsstarrigkeit nicht nach Hause kommen konnte. Er hatte behauptet, er wüsste im Moment nicht, wo er an den Wochenenden sein würde, aber er würde um sechs Uhr anrufen, von wo auch immer. An manchen Abenden rief er tatsächlich um sechs Uhr an, aber meistens hatte er noch so viel Arbeit auf dem Schreibtisch, dass es halb sieben oder fast sieben Uhr wurde, und dann quengelte Kit vor Müdigkeit und weinte am Telefon und fragte immerzu, wo er denn sei und warum er nicht zu Hause bei Kit sei. Nach diesen Telefonaten war Ralph immer hundeelend zumute, aber der ungewohnte, strapaziöse Tagesablauf hinderte ihn, weiter heißen Zorn und Unwillen gegen Petra zu empfinden wie noch in Aldeburgh. Er vermisste diesen Zorn; er hatte alles so einfach und unkompliziert
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