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Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Trollope
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»Können wir nicht einfach sehen, was passiert? Können wir nicht einfach abwarten?«
    Rachel wusste, dass Warten nicht ihre Stärke war. Schon mit kindlicher Selbsterkenntnis hatte sie gewusst, dass die Kehrseite ihrer wunderbaren Energie ihre Ungeduld war. Probleme ließen sie zünden wie eine Rakete, ließen ihren Geist rotieren und in alle Richtungen hin und her jagen, um eine Lösung zu finden, die unweigerlich ihre eigene beherzte Beteiligung erforderlich machte. Rachel blühte auf, sobald sie eifrig tätig werden konnte, sobald sie gefordert war, praktische Auswege aus nahezu unlösbaren Zwickmühlen zu finden. Wurde ihr die Gelegenheit verweigert, mit einer solchen Lösung aufzuwarten, war sie am Boden zerstört. In diesen Momenten wandte sie sich an Anthony, obwohl ihre Erwartungen in den letzten beinahe vierzig Jahren fast immer enttäuscht worden waren. Auch diesmal hatte er ihr wie üblich mehr als deutlich klargemacht, dass er ihr nicht helfen konnte.
    Besonders schlimm war es immer dann, wenn das Problem Ralph betraf. Edward, vergleichsweise konventionell, und der junge, optimistische Luke machten Rachel weniger Kummer als Ralph. Er war das geborene Sorgenkind und sich zugleich vollkommen unbewusst, dass er für sie so etwas wie ein latenter, leise bohrender Dauerschmerz war, eine Art seelischer Zahnschmerz, erträglich die meiste Zeit, aber mit der Tendenz, ohne Vorwarnung aufzuflammen und ihr Höllenqualen zu bereiten. Der Schmerz war aufgeflammt, als die Bank ihm den Kredit gekündigt hatte, war abgeklungen bei der Aussicht auf das Vorstellungsgespräch und wieder ausgebrochen bei Ralphs Verschwinden danach. Niemand hatte es für nötig gehalten, Rachel mitzuteilen, dass er bei Luke auf dem Sofa einen Rausch ausschlief und dass er nicht die geringste Ahnung hatte, wie er einem Zwölfstundenjob in einem Büro nachgehen sollte, das drei Fahrstunden von seiner Frau und seinen Kindern entfernt lag.
    Rachel hatte versucht, mit Petra zu reden. Petra stand dem Vorstellungsgespräch, gelinde gesagt, gleichgültig gegenüber. Sie machte mit nervtötender Geistesabwesenheit Tee für Rachel, während Barney ungestört auf dem Küchenboden herumkrabbelte und alle möglichen Krümel in den Mund steckte und runterschluckte.
    »Das Geld ist mir egal«, sagte Petra. »Ich habe mir nie viel aus Geld gemacht. Ich bin es gewohnt, keins zu haben.«
    Rachel hatte tief eingeatmet und den Blick von Barney gelöst.
    »Das war damals«, sagte sie zu Petra. »Du warst Studentin und musstest nur an dich selbst denken. Jetzt hast du Kinder. Du hast ein Haus. Du hast Verantwortung. Geld darf dir nicht mehr egal sein, diese Freiheit kannst du dir nicht mehr leisten.«
    Petra erwiderte nichts. Sie stellte Rachel ihren Tee hin und bückte sich, um ohne jede Hast den Verschluss einer Plastikflasche aus Barneys Mund zu pulen. Ihre ganze Haltung, jede ihrer Bewegungen zeigten Rachel, dass sie nicht vorhatte, diese Unterhaltung fortzusetzen, ebenso wenig, wie sie über die Möglichkeit sprechen wollte, in die Nähe eines Bahnhofs zu ziehen, damit Ralph leichter pendeln könnte.
    »Ich kann nicht vom Meer wegziehen«, sagte Petra. »Früher, als ich noch nicht so lange hier gelebt habe, hätte ich das gekonnt, jetzt nicht mehr. Der Ort, an dem ich mich bisher am wohlsten gefühlt habe, war Shingle Street. Das war auch für Ralph der ideale Platz gewesen. Dort sind wir wirklich glücklich gewesen. Das Meer war beinahe im Wohnzimmer.«
    Rachel hatte gespürt, wie sich ihr ganzer Körper vor Anspannung verkrampfte. Sie hatte so viel zu sagen, wollte Petra auf Zweckmäßigkeit, gesunden Menschenverstand, Verantwortung und Reife hinweisen, aber es hatte keinen Sinn, auch nur eine Silbe davon auszusprechen. Sie hatte ihren Tee getrunken, hatte Kit, der völlig versunken den Fernseher anstarrte, einen Abschiedskuss gegeben und war, aufs Äußerste beunruhigt, nach Hause gefahren, nur um dort festzustellen, dass auch Anthony entschlossen war, sich auf kein Gespräch mit ihr einzulassen.
    »Wir reden von deinem Sohn !«, hatte Rachel geschrien. »Dein Sohn und deine Schwiegertochter, die keine Lust haben, nein, die sich weigern , den Notwendigkeiten und Konsequenzen ihres zukünftigen Lebens ins Auge zu sehen.«
    Anthony war in seinem Atelier und zeichnete einen toten Maulwurf, der ihm beim Aufwerfen seiner über den Rasen verteilten Miniaturberge mit etwas Glück in die Falle gegangen war. Er lag ziemlich unbeschädigt auf einem gelblichen

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