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Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
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hier hin», sagte Mutter und zeigteauf eine Stelle in der Mitte vom Tisch. «Und bring doch den Kindern ihre Milch.»
    Clarisse nickte und ging durch die Schwingtür zurück in die Küche.
    Â«Monsieur Robert», sagte Vater lächelnd. «Erzähl uns von dieser neuen Buchreihe, die du liest. Deine Mutter hat mir davon berichtet.» Vater tat sich einen Löffel Nudeln auf den Teller und wartete die Antwort ab.
    Â«Es geht um Zeit.»
    Â«Und worum ganz genau?» Er lächelte und schaute zu Elliot, dann zu mir und dann zu Mutter.
    Â«Sie existiert auf einundzwanzig Ebenen.»
    Clarisse kam mit zwei Gläsern Milch herein und stellte sie vor Elliot und Robert ab.
    Â«Das nächste Mal bringst du die Gläser und gießt am Tisch ein», wies Mutter sie an.
    Clarisse nickte und ging aus dem Zimmer.
    Â«Wie oft hast du ihr das schon gesagt?», fragte Vater.
    Ich schaute auf meinen glänzenden Porzellanteller und sah ein Abbild des hässlichen runden Leuchters an der Decke. Ich war wieder einmal entsetzt von der Unhöflichkeit meines Vaters unseren Hausangestellten gegenüber, und in meinem Kopf hämmerte es:
Hol die blöde Milch doch selbst!
    Â«Wo ist Peter?», fragte er wieder und klatschte mir Auflauf auf meinen Teller. «Er ist zu spät.»
    Â«Worum genau geht es, wenn du von Zeit sprichst?», fragte Mutter Robert und wiederholte damit, was Vater gerade gefragt hatte. Sie nahm einen kleinen Schluck Wein; sie ahnte einen Ausbruch, von dem ich wusste, dass er kommen würde.
    Â«Wir leben in der dritten Zeitebene», sagte Robert. «Unser Haus existiert in der dritten Zeitebene.»
    Â«Der dritten?», fragte Vater. «Warum nicht der vierten?»
    Â«Weil es so ist», sagte Robert genervt. «Die erste ist vor unserer Geburt. Die zweite ist im Mutterleib. Die dritte nach unserem Tod.»
    Die Küchentür ging auf, und Peter kam herein. Es ging seinem Fuß schon besser, aber er humpelte noch.
    Â«Du bist zu spät», rief Vater ihm zu.
    Â«Auf meiner Uhr ist es drei nach sechs», sagte Peter und zog sich im Flur die Jacke aus. Er hatte ein Jeanshemd an und ein rotes Tuch um den Hals. Seine Haare fielen ihm bis auf die Schultern.
    Â«Es ist achtzehn Uhr dreiundzwanzig. Du warst dieses Woche jeden Abend zu spät.»
    Â«Ich habe viel zu tun.» Mein Bruder setzte sich auf seinen Stuhl und griff nach der Kasserolle.
    Â«Werd nicht frech», sagte Vater.
    Â«Liebling, du hast dir die Hände nicht gewaschen», sagte Mutter.
    Â«Ich habe meinen ersten bezahlten Auftritt bekommen. Darum bin ich zu spät.»
    Â«Darum hättest du dich früher am Tag kümmern können. Morgen hast du wieder eine andere Ausrede.»
    Â«Das ist keine Ausrede. Ich rede mich nicht raus. Du interessierst dich doch nicht mal für meine Musik. Du solltest mir gratulieren. Aber dir ist das scheißegal. Dir ist nur wichtig, dass die Zeit eingehalten wird!» Er schob den Stuhl vom Tisch weg und stand auf.
    Â«Was weißt du über Zeit?», fragte Robert.
    Â«Du setzt dich sofort hin», sagte Vater im Kommandoton.
    Peter lachte bitter, als hätte er es sich aus irgendeinem Grund anders überlegt.
    Â«Was sind schon fünfzehn oder zwanzig Minuten?», sagte Peter und wurde laut. «Kein Mensch lebt in so strengen Zeitzonen. Das ist Irrsinn.»
    Â«Ich habe gesagt, du sollst nicht frech werden, junger Mann», sagte Vater und stand auf. Er wurde rot im Gesicht. Seine Augen sahen so groß aus wie Bowlingkugeln. Jetzt würde ihn nichts mehr aufhalten können.
    Peter trat einen Schritt zurück, weg vom Tisch. «Ich geh auf mein Zimmer. Ich esse später.» Er sah Mutter an.
    Ich starrte auf den Mischmasch aus Nudeln und Fisch, um den Molekülen aus dem Weg zu gehen, von denen ich wusste, dass sie fliegen würden. Mr Binghams Theorie konnte nicht ganz richtig sein. Bei mir zu Hause nahm das Raumvolumen bei zunehmender Hitze ab. Es fühlte sich klaustrophobisch an. Ich bekam keine Luft mehr.
    Â«Du setzt dich jetzt hin und isst!» Vater schlug mit der Faust auf den Tisch. «Und du bleibst das ganze Wochenende zu Hause.»
    Â«Leonard, bitte.»
    Mutter zuckte zusammen und griff nach ihrem Weinglas.
    Peter riss die Augen auf und schaut hoch zum Leuchter. «Das ist nicht dein Ernst», sagte er und fuchtelte mit der Hand herum.
    Â«Setz dich hin!», brüllte Vater ihn an. «Wir sind hier

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