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Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
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zu ihm hinunterging, mich leicht und wunderschön fühlte und wir zusammen in die Dunkelheit liefen, so wie Badegäste ins warme Meer.

8. Kapitel
Der Kleiderschrank
    Ich zog die Strümpfe aus, versteckte sie in der Schublade zwischen meiner Unterwäsche und öffnete mein Schmuckkästchen. In einem Nest aus silbernen Armreifen vergraben fand ich eine Kette mit einem Davidsternanhänger, die Tante Annette mir zu meinem achten Geburtstag geschenkt hatte. Der Stern war so groß wie mein Daumennagel. Ich legte die Kette um und ging nach unten, wollte sehen, wer außer mir noch zu Hause war.
    Roberts Tür war zu. Er saß auf seinem Bett und las in einem Science-Fiction-Buch. Das gelbe Licht im Aquarium flimmerte an der Wasseroberfläche. Blasenströme platzten rhythmisch.
    Â«Strömt der Sauerstoff nicht zu schnell raus?» Ich zeigte auf das Aquarium.
    Â«Nein.»
    Â«Was liest du?»
    Â«Die Zeitplaneten.» Er hielt mir das Buchcover entgegen. «Es ist eine Reihe. Es gibt zweiundzwanzig Bücher. Zweiundzwanzig ist eine Superzahl.»
    Â«Wie wirkt sich das aus?»
    Â«Ich bin bei Band eins», sagte er und ignorierte meine Frage. «Ich will zwei pro Woche lesen. In elf Wochen – elf ist übrigens eine weitere Superzahl – weiß ich alles über klassische Zahlensymbolik. Zahlen haben Energiestufen.Ich habe ein Diagramm erstellt, siehst du?» Er schob ein Blatt Papier zu mir ans Bettende. Darauf hatte er ERSTES BUCH geschrieben und daneben war ein Feld mit Kästchen, in das er Häkchen machen konnte.
    Â«Wenn du mich also entschuldigen möchtest, ich bin beschäftigt», sagte er und schaute auf seine Uhr. «Ich muss meinen Plan einhalten.»
    Ich ging nach oben unters Dach.
    Elliot sah so verquollen aus wie noch nie. Er lag auf dem Boden, abgestützt auf den Ellbogen, und säuberte seine Tierfiguren mit dem Rand seines T-Shirts und stellte sie dann wieder auf das Fensterbrett, von wo aus man den Garten hinterm Haus überblicken konnte.
    Â«Ist Peter schon zu Hause?»
    Er schüttelte den Kopf und ging wieder dazu über, das Bein eines der Elefanten mit seinem T-Shirt abzuputzen.
    Peter hatte eine Rockband mit dem Namen The Symbols gegründet. Zur Band gehörten noch ein Schlagzeuger und ein Bassist. Peter spielte Leadgitarre und sang. Bei einer Bandprobe im Keller seines Freundes war Peter bei einem Lied der Rolling Stones singend von einem Stuhl gesprungen und auf den Knöchel gefallen, was ihm einen Haarriss einbrockte. In den letzten Wochen hatten ihn immer Freunde mit dem Auto nach Hause gebracht, und jeden Tag war er etwas später gekommen.
    Ich ging wieder nach unten in mein Zimmer und setzte mich an meine Hausaufgaben: fünfundzwanzig Matheaufgaben, einen Englischaufsatz, französische Sätze zum Futur I. Unten setzte das Geklapper von Töpfen und Geschirr ein, aber nicht etwa von Dora. Dora hattezwei Wochen frei, um sich um eine kranke Tante zu kümmern. Mutter hatte eine Agentur für Hausmädchen angerufen und eine Vertretung für den kurzen Zeitraum angefordert. Clarisse aus Jamaika hatte graue Haare, eine ruhige Stimme und freundliche Augen. Sie bewegte sich mit äußerster Sorgfalt, und es tat mir schnell leid, dass sie solch ein Pech hatte, für uns arbeiten zu müssen. Hatte die Agentur sie vor meiner Familie gewarnt? Würde Dora zurückkommen? In ihrer Abwesenheit merkte ich erst, dass sie mir fehlte. Was, wenn sie nicht zurückkam, genau wie alle anderen Hausmädchen? Über die Monate hatte ich mich an ihre derben Kommentare gewöhnt, ihren scharfer Blick, mit dem sie uns beobachtete. Sie gab auf mich acht.
    Die Küchentür schlug zu.
    Â«Ich bin da!», rief Vater.
    Ich hörte ihn zum Flurschrank gehen und seine Jacke aufhängen. Mutter kam an meiner Tür vorbei und ging zu ihm nach unten, dann rief sie uns zum Abendessen. Der Esstisch erstrahlte. Clarisse hatte den Tisch mit einem weißen Leinentuch gedeckt. Mutter sah noch schläfrig aus. Sie hielt ein Glas Rotwein in der Hand und nahm einen kräftigen Schluck, bevor sie sich an ihren Platz setzte. Vater stellte die Weinflasche zu sich ans Tischende und setzte sich ebenfalls.
    Â«Wo ist Peter?», fragte Vater in die Runde. Er schaute in Richtung Küche. Elliot und Robert zuckten mit den Schultern.
    Clarisse kam mit einer Kasserolle mit Nudeln und Fisch zurück ins Zimmer.
    Â«Stell das genau

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