Schwimmen mit Elefanten - Roman
Brett, sondern wie ein Poet unter dem Brett«, meinte ein anderer.
Keiner ermahnte die beiden zur Ruhe.
Der Junge hatte einen Vers geschrieben, der diesem Namen alle Ehre machte. Hatte sich die erste Hälfte der Partie noch wie Katzenmusik angehört, erklang die zweite wie eine Sinfonie. Er hatte seine Figuren neu in Stellung gebracht und ließ sie eine beschwingte Melodie spielen. Und bald schon wunderte sich niemand mehr über diese merkwürdige Begegnung, bei der nur einer der Kontrahenten vor dem Schachbrett saß.
Die beiden Jungen lieferten sich einen verbissenen Kampf. Das Schlachtfeld war nun von den Trümmern, die der Junge in der ersten Hälfte der Partie hinterlassen hatte, befreit. Am Ende zog die weiße Dame vor auf h5. Der Junge kroch unter dem Tisch hervor, setzte sich manierlich auf seinen Stuhl und ließ den Kater zu seinem Meister zurücklaufen. Dann legte er den schwarzen König um und gestand somit seine Niederlage ein. Nach einer Weile ertönte im Saal leiser Beifall.
Es war an jenem Tag, dass der Junge als Poet unter dem Schachbrett den Spitznamen »Kleiner Aljechin« erhielt. Jedoch wurde die Notation dieser Partie nie ins Archiv des Pazifik-Schachklubs aufgenommen. Nicht weil der Junge verloren hatte, sondern weil er disqualifiziert worden war.
In Bezug auf die Aufnahmeprüfung hat die Jury nach eingehender Beratung beschlossen, dass Ihr Benehmen während der Schachpartie dem Ansehen unseres Klubs erheblichen Schaden zugefügt hat. Wir möchten Sie mit diesem Schreiben davon in Kenntnis setzen, dass wir den Ausgang der ersten Partie als regelwidrig ansehen und das Ergebnis annullieren. Für die Aufnahme in unseren Klub bleiben die Kriterien – zwei von drei Partien müssen gewonnen werden – unverändert bestehen. Wir wünschen Ihnen für die kommenden beiden Spiele viel Erfolg. Jedoch möchten wir Sie höflich bitten, bei Ihrem nächsten Besuch in unserem Klub den Anstand zu wahren …
Als der Meister ihm den Inhalt des Briefes vorgelesen hatte, war der Junge weder überrascht, noch ärgerte er sich darüber. Er akzeptierte stillschweigend, dass die Teilnahme an weiteren Partien für ihn unmöglich geworden war. Wenn es als regelwidrig angesehen wurde, dass er während der Partie unter den Tisch kroch, würde er dafür jedes Mal disqualifiziert werden. Für ihn war das schlimmer, als zu verlieren.
»Tut mir leid«, sagte er zum Meister.
»Was denn?«
»Na, dass ich nicht in den Klub aufgenommen werde.«
»Ach, das ist nicht so wichtig«, beruhigte ihn der Meister, während er mit einem Schneebesen herumhantierte. Er versuchte sich gerade an einem neuen Kuchenrezept, und Eischnee flog durch die Kochnische.
»Ja, stimmt. Aber es war unverzeihlich, dass ich mich bei der Partie so blamiert habe.«
Der Junge schüttelte Mehl mit Puderzucker durch ein Sieb. Mehlstaub legte sich sanft über den Tisch. Pawn, der sich in eine Ecke neben dem Bücherregal verkrochen hatte, dachte vermutlich, er werde nicht gebraucht, solange die Schachpartie nicht begann.
»Auf jeden Fall bist du ein wenig aus dem Gleichwicht geraten.«
»Nicht nur ein wenig.«
»Ich hatte gehofft, du könntest die Stellung halten und ein Remis herausholen. Aber die Zeit reichte eben nicht. Du warst schon zu arg in der Bredouille.«
Mit vereinten Kräften verrührten sie den Teig mit dem Eischnee. Der Meister gab acht, dass der Eischnee nicht zerdrückt wurde und schön luftig blieb, während der Junge die Schüssel festhielt. Über dem Fahrersitz knisterte der Ofen, in dem gerade die Backform vorgeheizt wurde.
»Ich werde dich nie davon abhalten, unter den Schachtisch zu kriechen«, sagte der Meister. »Ich weiß ja, dass du dich nicht versteckst, weil du deinen Gegner ignorieren willst, sondern im Gegenteil, weil du so sein Spiel besser wahrnimmst. Habe ich recht?«
Der Junge nickte und schaute zu, wie der Teig an der Spitze des Gummispatels immer geschmeidiger wurde.
»Allerdings war der andere Junge ziemlich gut. Ich habe erfahren, dass er Jugendmeister ist. Aber das Kerlchen war auch ganz schön selbstbewusst.«
»Deshalb konnte er mich ja überrumpeln. Ich habe mich von ihm einschüchtern lassen.«
»Aber jeder würde bei einem starken Gegner am liebsten die Flucht ergreifen. Bei dir war es am Anfang auch so. Aber das macht nichts. Du musst dich in solchen Momenten darauf besinnen, dass man Schach eben nicht allein spielt.«
Der Meister goss den Teig in die Backform und klopfte mit ihr gegen den Tisch, damit
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