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Schwimmen mit Elefanten - Roman

Schwimmen mit Elefanten - Roman

Titel: Schwimmen mit Elefanten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlagsbuchhandlung Liebeskind GmbH & Co. KG
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einzujagen. Der Junge ging an den Duschkabinen vorbei und stieg auf den Startblock mit der Nummer acht, von wo aus er die Puppe genauer in Augenschein nehmen konnte.
    »Verzeihen Sie bitte …«
    Er schlug einen höflichen Ton an. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein, schließlich wollte er herausfinden, was da vor seinen Augen im Wasser trieb.
    »Hallo!« Er rief abermals, aber seine Stimme wurde von der Stille ringsumher verschluckt. Es kam keine Antwort. Dass es ein Mensch war und keine Puppe, begriff er in dem Moment, als er die Achselhaare des Mannes entdeckte. Sie schlingerten im Wasser, als seien sie noch lebendig.
    Der Junge kniete sich hin und berührte den Rücken des Mannes. Der Körper schaukelte ganz leicht auf der Wasserfläche, blieb sonst aber reglos. Die Haut war aufgequollen und dunkel verfärbt, die Glieder des Toten grotesk verrenkt. Der Junge wurde an den Händen von einem durchdringenden Kältegefühl erfasst, das ganz anders war als die Kälte des Wassers. Das Gefühl blieb, auch lange nachdem er sich die feuchten Hände an seiner Hose trocken gerieben hatte. Er saß still im gleißenden Morgenlicht und sah den Toten an.
    Als sich endlich der Hausmeister blicken ließ und der Junge ihm von seiner Entdeckung berichtete, herrschte mit einem Mal ein großer Aufruhr in der Schule. Schrille Sirenen waren zu hören, und bald fuhren ein Rettungswagen und eine Polizeistreife vor. Der Unterricht wurde abgesagt, aufgeregte Schüler stürmten durch die Korridore. Man führte den Jungen in den Pausenraum, wo ihn Lehrer und Polizeibeamte mit Fragen überhäuften. Es war unheimlich, dass die Erwachsenen so freundlich zu ihm waren.
    »Der Mann wird jetzt im Krankenhaus versorgt. Das hat er allein dir zu verdanken, weil du heute Morgen so früh in die Schule gekommen bist.«
    Aber trotz des überschwänglichen Lobs empfand der Junge keine Freude. Der Mann war ohne jeden Zweifel tot.
    Es stellte sich heraus, dass er Busfahrer war und im Betriebsheim für Junggesellen gewohnt hatte. Er hatte sich zuvor regelmäßig auf das Schulgelände geschlichen, um allein im Schwimmbad seine Bahnen zu drehen. Unglücklicherweise hatte er in jener Nacht eine Herzattacke erlitten und war ertrunken. Deshalb hatte seine Kleidung so ordentlich zusammengefaltet neben dem achten Startblock gelegen.
    Auch nachdem sich die Aufregung um den ertrunkenen Fahrer gelegt hatte, wurde der Junge von seinen Mitschülern gemieden, weil er derjenige war, der eine Leiche gefunden hatte. Man begegnete ihm mit einer Mischung aus Mitleid und Ehrfurcht, wobei keiner seiner Klassenkameraden genau wusste, wie er mit dem Fall umgehen sollte. Sie brannten zwar vor Neugier und hätten ihn gerne ausgefragt, wie ein Toter denn nun aussah, trauten sich aber vor lauter Angst nicht, ihn anzusprechen. Stattdessen sahen sie den Jungen an, als ob er selbst die Leiche wäre.
    Von nun an wollte ihm niemand mehr eine Rasur verpassen. Das Wasser wurde unverzüglich abgelassen, und das Becken erhielt einen neuen Anstrich. Sogar die Duschkabinen wurden ausgetauscht. Alle wollten so schnell wie möglich die Sache mit dem toten Fahrer vergessen. Nur der Junge gedachte seiner, indem er jeden Morgen auf dem Weg zur Schule Blumen pflückte und vor dem Tor zum Schwimmbad niederlegte. Die Blumen, die so unscheinbar waren, dass niemand sie als Opfergabe für einen Toten hielt, waren bereits am nächsten Morgen zertrampelt oder vom Wind zerstreut. Doch der Junge scherte sich nicht darum. Es war seine Art, um den toten Fahrer zu trauern.
    Eines Tages beschloss der Junge, auf dem Nachhauseweg beim Wohnheim der Busgesellschaft vorbeizugehen. Er spürte, dass es eine Verbindung gab zwischen dem Toten und seinen Freunden Indira und Miira. Seit dem Vorfall drehten sich seine Gespräche im Alkoven fast nur noch um den Fahrer. Der Junge beschrieb Miira das dunkle Wasser, auf dem sich nur der Mond spiegelte, die Wellen der Finsternis, in die der Mann eintauchte, und das Gefühl von Verlorenheit, allein am Ende der achten Bahn zu treiben. Einerseits bemitleidete er den Toten, der völlig entblößt sterben musste. Andererseits überlegte er, wie geheimnisvoll und aufregend es sein musste, nachts in einem menschenleeren Schwimmbad zu sein.
    Das Wohnheim lag am Ende der Straße, wo sich der Betriebshof und die Geschäftsstelle befanden. Der Junge huschte zwischen den geparkten Bussen hindurch, damit ihn niemand entdeckte. Er schlüpfte durch einen Maschendrahtzaun und gelangte auf den

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