Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
Das Kreuz des Großmeisters heißen sollte. Der Titel war gar nicht so dumm, aber der Rest war einfach idiotisch. Ballkleider und Kerle im Frack, die einander wegen Auszeichnungen hassten, die der eine bekam, aber nicht der andere. Bei der Leiche handelte es sich um eine in hellgrüne Duchesse gekleidete junge Frau, die erdrosselt in der Damentoilette lag und eine blutige Fingerspitze hatte. Ich sagte Lillemor, was ich davon hielt, und da war sie natürlich eingeschnappt.
»Nein, wir schreiben über diesen Ort da im Norden, wo du zum Filmen warst«, schlug ich vor. »Wie hieß er noch gleich? Lannavaara? Ich habe viel darüber nachgedacht. Diese eigenartigen Menschen, die Film hassten und kaum mit euch reden wollten und sich weigerten, euch ein Boot zu vermieten, als ihr vom Fluss aus filmen wolltet. Fenster ohne Gardinen und Leute, die über eure Köpfe hinweg Finnisch oder so redeten. Das lebhafte Wasser im Fluss, dazu diese lockenden langen Abenddämmerungen.«
»Igitt!«, erwiderte Lillemor. »Du bist noch nie dort gewesen. Das war trist. Geradezu deprimierend.«
Für diese dumme Idee mit dem erdrosselten Mädchen auf der Damentoilette konnte sie den Direktor einer Filmgesellschaft interessieren. Sie schlossen einen Vertrag und machten sich mit einem für mich besorgniserregenden Enthusiasmus daran, das Drehbuch zu schreiben. Lillemors Filmkarriere durfte schließlich nicht zu gut verlaufen, wenn sie zu unserer Arbeit zurückkehren sollte.
Sie dachte wohl an eine wehmütige Geschichte, denn während sie an diesem Drehbuch arbeitete, summte sie ständig die Titelmelodie aus Die Regenschirme von Cherbourg . Nachdem sie ihre Synopsis abgeliefert hatte, musste sie ihre Schularbeiten noch mal machen. Die Handlung sollte unterhaltsamer ausfallen, und die Erotik war zu zahm und melancholisch. Sie bekam nun als Kooperationspartner einen berühmten Journalisten, der im Vecko-Journalen giftige Kolumnen schrieb. Er verlangte, während dieser Arbeit im Hotel Foresta untergebracht zu werden, und Lillemor musste mit Bahn und Taxi dorthin fahren und sich auf Kosten der Filmgesellschaft durch mordsmäßige Mittag- und Abendessen futtern. Die Berühmtheit aß und trank und sprudelte vor Ideen, die Lillemor ein bisschen schmierig fand. Sie erzählte, dass er davon ausging, sie studiere in Uppsala, und er habe sie gefragt, ob die Studentinnen immer noch nichts außer Reitstiefeln und Peitschen trügen, wenn sie sich amüsieren wollten.
Lillemor war eigentlich nicht prüde. Wenn Roffe mit ihr Schubkarre fahren wollte, glaubte sie, die programmatische Emanzipation würde dies eben erfordern. Aber ich wusste, dass ihr die neurotische Melancholie in Das süße Leben besser gefiel als das Plantschen im Brunnen.
Die Altmännererotik ekelte sie an. Sie arbeitete jedoch pflichttreu an dem Drehbuch weiter und ging auch darauf ein, die Frau des Journalisten in einer dunklen Wohnung in Östermalm zu besuchen. Diese hatte einst ein Skandalbuch geschrieben, war jetzt aber krank und unbeweglich. Lillemor merkte, dass sie selbst wie ein Gegenstand aus der feilen Filmwelt vorgeführt wurde, und verspürte eine unselige Mischung aus Unlust und Mitleid. Sie gab aber erst auf, als sie ausmanövriert und durch eine Journalistin ersetzt worden war, die ins Königshaus eingeheiratet hatte. Sie musste auch noch darum kämpfen, für ihre Arbeit bezahlt zu werden, und nach diesem Ausflug in eine eigene Unternehmung kehrte sie erleichtert zu mir und dem gediegenen Verlag zurück.
Die Episode mit dem Filmdrehbuch hätte uns eine Warnung sein müssen vor dem, was sich auf lange Sicht zusammenbraute. Wir befanden uns natürlich in einer historischen Epoche, dachten aber nicht weiter daran und glaubten, sie würde niemals zu Ende gehen. Wir spielten mit unseren Figuren, die sich gruselten und starben und dem Publikum gefielen, weil sie nicht so viel bluteten. Wir spielten auf der Welle des bürgerlichen Humanismus und hatten eine Leserschaft, die literarische Anspielungen schätzte. Ein solides Abitur samt literarischer Sondenernährung lange vor der Pubertät hatte uns Leserinnen und Leser mit Unterscheidungsvermögen beschert. Sie ahnten nicht, dass es ebendieses Unterscheidungsvermögen sein würde, das ihre Skidbladnir versenkte.
Die Ersten, die neue Horizonte erblickten, hatten keine Blumen im Haar und trugen keine zerrissenen Jeans, sondern Maurerhemden aus dem Arbeitsklamottenladen. Schon damals gab es einenAnflug von Panik in Europa. In
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