Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
gelegen gekommen. Auf dem Bild in der Zeitung war sie vom Blitzlicht geblendet, doch es wurde ein Ausschnitt aus der Lichtflut gemacht: glänzende schwarze Hüften, vom Korsett geformt, während die Rüsche am Busen das gespannt Straffe milderte und Lillemor mädchenhaft verletzlich und verwirrt wirken ließ. Genauso dankbar, überwältigt und durch und durch glücklich, wie ein Mädchen aufzutreten hat, das in einem Kurzkrimiwettbewerb mit Luciathema Siegerin geworden ist. Als ich das Bild in der Zeitung sah, glaubte ich fast selbst an den Betrug. Lillemor war perfekt.
Zuerst war sie die Lucia in der Kurzgeschichte gewesen. (»Was geschieht in der dunkelsten aller Nächte? Wer war das weiß gekleidete Mädchen mit dem Blutfleck auf der Brust? Schick Deine Kurzgeschichte bis zum 15. Oktober an unsere Redaktion.«) Dann hatte sie den Preis entgegengenommen und mit schlanken Fesseln auf dem Podium gestanden. Und jetzt war sie also verlobt.
»Warum schreibst du keinen Krimi?«, fragte sie. »Jetzt brauchst du doch keine Komplexe mehr zu haben.«
Sie war der Meinung, dass man zum Schreiben Selbstvertrauen braucht. Doch sie irrte sich. Man braucht Anonymität.
Ja, ich hatte es mir
anders
überlegt
,
denkt Lillemor. Aber diese merkwürdige Person sagte wahrscheinlich nur: »Ach was!« Und legte auf. Die Hälfte der Preissumme entsprach genau dem Betrag, den ich monatlich von meinem Studiendarlehen ausbezahlt bekam, und deshalb war es gar nicht so abwegig, dass ich es mir doch noch mal überlegte. Nie aber habe ich auch nur einem Menschen etwas von meinem Deal mit Babba Andersson erzählt.
In jenem Herbst hat sie eines Vormittags Babba angerufen und ihr von dem Brief erzählt, in dem stand, dass sie gewonnen habe. Oder hatte sie »wir« gesagt? Diese Person schien jedenfalls nicht die Spur überrascht zu sein. Irgendwann Anfang Dezember fuhr Lillemor mit der Bahn nach Stockholm und ging zum Restaurant Metropol an der Ecke Sveavägen und Odengatan. Dort saß eine Jury aus acht Herren in gestreiftem Anzug, dieser älteren, asymmetrisch mit Crêpe de Chine drapierten Krimiautorin und einem Chefredakteur im Blazer mit Clubknöpfen. Eigenartig, dass der Text in der paperasse Erinnerungen weckt, deren sie sich kaum bewusst war. Sie sieht zehn Luciakandidatinnen in weißer Bluse und engem schwarzem Rock im Gänsemarsch hereinkommen und auf einem Podium Aufstellung nehmen.
Sie muss bei den Herren gesessen und zugesehen haben, denn sie hat sie noch genau so in Erinnerung: auf einer Estrade. Einige waren hübscher als sie, und viele hatten einen größeren Busen und einen knackigeren Po. Aber keine war so sehr der Luciatyp wie ich, denkt sie. Das hatte sie den Komplimenten entnommen, die man ihr machte. Zum Essen schloss sich die Jury in einen separaten Raum ein, folglich muss sie selbst mit den Luciakandidatinnen gegessen haben. Sie erinnert sich nicht mehr genau. Nur daran, dass die Mädchenstimmen vor der Entscheidung vor Aufregung schrill wurden. Zu Kaffee, Likör und Kognac-Sodas kam die Jury wieder heraus, und da erhielten die Kandidatinnen recht handfeste Komplimente. Lillemor legte jedoch keiner die Hand auf den Po. Als Akademikerin und Autorin von Kurzgeschichten wurde sie eben anders behandelt als Verkäuferinnen und Büroangestellte.
Die Stimmzettel des Leserkreises wurden aus einem Karton gekippt und ausgezählt. Sie wurden der Entscheidung der Jury gegenübergestellt. Das Mädchen, das zur Lucia des Magazins gewählt wurde, weinte. Die übrigen neun lächelten, auch wenn es schwerfiel. Sie erinnert sich aber nur an diese eine, die derart weinte, dass ihr die Wimperntusche als grauschwarze Lavierung unter den Augen verlief. Die großen runden Blitzgeräte der Fotografen blendeten, die Kameras klickten. Schließlich war Lillemor an der Reihe, aufs Podium zu steigen, der Chefredakteur hielt eine Rede auf sie, und es blitzte wieder.
So hatte sie sich das wohl nicht vorgestellt. Sie hatte gedacht, man würde sich mit der Atelieraufnahme begnügen, auf der Frisur, Gesicht und Kleidung in Ordnung waren. Diese Minuten, in denen sie auf dem Podium stand und von den Blitzen aus den blanken Lampentrichtern geblendet wurde, hatten etwas Loderndes und Unkontrolliertes, ja Besinnungsloses an sich. Genau in dem Moment dürfte ich es bereut haben, denkt sie. Ich muss befürchtet haben, dass es ruchbar würde. In der Studentenvereinigung. In der Prüfungskommission.
Als ihr diese Szene durch den Kopf geht, kommt der Kaffee,
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