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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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Gefangenen (unter anderen Gorki, woran sie sich sehr gut erinnert) eingesperrt hatten. Sune lächelte auf eine Lillemor nicht bekannte Art, aber er hatte sich auch ein paar ordentliche Schluck Wodka aus einem Porzellanpinguin genehmigt, den sie im Berjoskaladen gekauft hatten. Dort hatte sie auch Babuschkatücher erstanden, für Babba ein hellblaues mit roten Rosen als Dankeschön dafür, dass sie sich um Jeppe kümmerte. Das war möglich, weil von Antes Hündinnen gerade keine läufig war. Lillemor fürchtete jedoch, er könnte sich verlassen fühlen und vielleicht glauben, es würde mit neuen Einspritzungen und Operationen wieder im Labor enden.
    Als sie nach Moskau kamen, durften sie Troika fahren und noch mehr Kaviar und Blini mit saurer Sahne essen. Lillemor und Sune pfiffen auf die Besuche von Schulen und Arbeitsplätzen, auch wenn es nicht ganz einfach war, sich der Reiseführerin zu entziehen. Sie hieß Natascha, wie die Heldin in Krieg und Frieden , hatte aber nicht die einnehmende Verspieltheit dieser richtigen Natascha, sondern nahm ihre Aufgabe, sie alle zusammenzuhalten, ernst. Folglich war es ein Kunststück, sich auf eigene Faust auf den Weg zu machen und mit einem Taxi zu Tschechows Haus zu fahren, von dessen Existenz sie wussten. Sune legte auch Schwarzgeld hin, damit sie in einem Restaurant einen Tisch bekamen, wo es Bärenfleisch gab, und Karten fürs Bolschoitheater, wo Dornröschen gegeben wurde. Damals fand sie es merkwürdig, dass er draußen in der Welt so gewandt sein konnte, wo er im Bett doch so unbeholfen war.
    Als Natascha begriff, dass er Kellner und Kartenverkäufer bestochen hatte, war sie sehr aufgebracht und sagte, sie wollten keine Korruption in der UdSSR haben. Da lächelte Sune wieder.
    Unter ihrer Führung besichtigten sie jedenfalls viele Kirchen und Kathedralen. Sie waren folgsam wie Schafe unter einem Hütehund, bis Natascha auf eine Taube zeigte, die von der Decke hing, und sagte, das sei die Friedenstaube. Da war Lillemor nun ihrerseits sehr aufgebracht. Sie hatte das Gefühl, von allen eigentlich die Bravste gewesen zu sein, und sie hatte nicht wie Sune nach dem Lubjankagefängnis gefragt. Vor Lenins Leiche hatte sie sich freilich geekelt, aber ihr hätte jede konservierte Leiche, egal, welche, Brechreiz verursacht, also war das wohl nichts Politisches. Und jetzt das!
    »Irrtum«, rief sie unter dem Gewölbe. »Das ist keine Friedenstaube. Das ist der Heilige Geist.«
    Und weil Natascha jetzt so tat, als verstünde sie kein Schwedisch, erregte sich Lillemor nur noch mehr und sagte auf Englisch, dass es the holy ghost sei, der da an einer Stange von der Decke schwebe, und keineswegs eine Friedenstaube. Ihre Reisegenossen nahmen ihr diesen Ausbruch noch übler als Natascha, und stillschweigend beschlossen Sune und sie, an diesem Abend nicht zur Kritik und Selbstkritik in Svennes und Lisbeths Zimmer zu gehen. Als sie auf dem Weg zurück ins Hotel im Bus saßen, verhielt sich die Gruppe sehr kühl zu Lillemor. Die Antiquitätenhändlerin war jedoch nach wie vor freundlich, sie drückte ihr eine kleine Bauernikone in die Hand und sagte, die solle sie sich in den BH stecken, wenn sie durch den Zoll gingen. Die Ikone war kleiner als ein Kalenderblatt, und auf dem abgegriffenen Holz war die Jungfrau Maria zu sehen, wie sie den Engel Gabriel und seine Beigabe empfängt.
    Sie war noch immer aufgebracht, als sie wieder im Hotel anlangten, und Sune bestellte ihr Tee und eine Art Marmeladenpiroggen, die ihr schon mal geschmeckt hatten. Nichts half jedoch gegen den Verrat, der gegen den Heiligen Geist begangen worden war.
    Schließlich musste Sune, sehr vorsichtig, fragen: »Glaubst du an diese Sache?«
    Es war schwer zu sagen, was er mit »diese Sache« meinte, und es wurde auch nicht gerade besser, als er fragte, ob sie »am Kult teilnehme«. Er war so rational, und während sie Marmeladenpiroggen aß, erklärte er, dass er für seine Person sich nicht nach Unsterblichkeit sehne. Das war ihr ganzes religiöses Gespräch, denn Lillemor hatte weder damals noch später das Bedürfnis, zu erklären oder darüber zu diskutieren, dass sie mit Gott in ihrem Innern lebte. Hin und wieder kommt mit einem rationalen Menschen die Rede darauf, aber nicht alle sind so tolerant, wie Sune es war. Es gibt Leute, die werden böse. Dann muss sie an die Zeit der Orthodoxie denken, als es gesetzlich vorgeschrieben war, an Gott zu glauben. Aber es gab bestimmt auch damals Leute, die ihre Geheimnisse hatten,

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