Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
sondern sagte nur: »Ich gebe dir recht, dass die Kerle früher auch schon albern waren. Wenn die Frau in Das Zimtstück sich den hellroten Kamm ins schwarze Haar steckt, steht sie vor dem Spiegel. Dort gehören wir nach Meinung der Kerle hin. Vor den Spiegel. Wir sollen uns nicht umdrehen und in die Welt hinausschauen. Ahlin schrieb aber immerhin so, dass es sich gewaschen hat. Und das, obwohl er ein alter, reizbarer Dummkopf war, der zu viel übers Schreiben theoretisierte, weil er selbstverständlich ein Bannerträger sein wollte. Wir geben aber nicht auf, bisher ist es für uns doch gut gelaufen.«
»Es ist nicht so leicht, Lob anzunehmen«, sagte sie. »Kritik ist da irgendwie besser. Herber, aber wirklicher.«
»Ach du meine Güte, du musst doch jenseits dieser Kategorien Lob und Kritik deine Sachen schreiben.«
»Meine Sachen! Es sind doch eigentlich deine. Und wenn es an die Öffentlichkeit kommt, dann wird es verändert und verdreht und auf jeden Fall in diese wacklige, flimmernde Sphäre gezogen. In dieses Unwirkliche.«
Ich wusste ja, dass sie vor einigen Jahren eine zu hohe Dosis von dem Lachgas namens öffentliche Aufmerksamkeit abbekommen hatte. Jetzt aber war sie von dem betäubt, was sie ein normales Leben nannte. Wahrscheinlich lief sie genau wie ich herum und schrie vor Überdruss.
»Was, zum Kuckuck, machst du hier?«, fragte ich.
»Ich versuche, ein normales Leben zu führen.«
»Hast du dir deswegen die Haare dunkelrot gefärbt?«
»Ja«, sagte sie. »Ich möchte nicht erkannt werden. Du ahnst ja gar nicht, wie es ist, in ein Konzert oder einen ICA-Laden oder sonst wohin zu gehen – immer ist da jemand, der sagt: Jetzt gibt es wohl einen Mord hier!«
Später am Abend tranken wir Wein, und da kam heraus, dass sie bei den Waldweibern gewesen war und geglaubt hatte, mit ihnen leben zu können. Aber das war wahrscheinlich so, als ob man mit kleinen Trollen lebte, auch wenn sie das nicht sagte.
»Ich wollte authentisch leben«, erklärte sie. »So wie sie.«
»Du meine Güte! Die sind doch verkleidet.«
Lillemor war enttäuscht über Folket i Bild Kulturfront, wo man ihren Artikel über die Waldweiber abgelehnt hatte.
»Die Zeitschrift wird doch von Jan Myrdal gesteuert«, sagte ich. »Was erwartest du denn? Die männlichen Scharen formieren sich wieder und schauen, wer an der Spitze marschiert. Die linken Intellektuellen haben ihren Bannerträger gefunden. Die Zaghaften und Ängstlichen sind von seiner Arroganz und Selbstgefälligkeit fasziniert. Du wirst sehen, sie werden ihrem Rattenfänger von Hameln schnurstracks in die politische Havarie folgen. Wir pfeifen auf die! Wir schreiben lieber.«
»Unsere Geschichten entstammen ja deinen Karteikästen«, sagte sie. »Du hast sie wie in einer großen Patience angeordnet und ausgelegt. Ich glaube, es müssten sich mehr Möglichkeiten finden lassen, die gleichen Karten zu legen. Eine ganz andere Geschichte, allein dadurch, dass du die Karten anders anordnest.«
»Das habe ich jetzt nicht kapiert.«
»Das bisschen, was wir zwischendurch geschrieben haben, war nicht das Wesentliche.«
Sie sprach sehr leise, als fürchtete sie, außer mir könnte sie noch jemand hören. Erst als sie mich zu überzeugen versuchte, hob sie die Stimme ein wenig.
»Wenn du zum Beispiel eine Geschichte über mich schreiben würdest …«
»Als Lebensversicherung?«
»Wie meinst du das?«
Sie sah erschrocken drein.
»Vergiss es«, sagte ich. »Sag, was du sagen wolltest.«
»Nein, ich weiß nicht«, murmelte sie. »Dass es eben einfach eine ganz andere Geschichte werden könnte.«
Ich wollte nicht, dass sie über diesen Punkt so viel nachdachte. Es war besser, wenn sie sich über den männlichen Blick ausließ. Dass er uns fixierte, wenn wir schrieben. Dass wir nicht davon loskämen.
»Wir haben doch unsere eigenen Augen«, sagte ich.
»Nein«, erwiderte sie. »Wir sehen mit deren Augen.«
Ich hatte eine Vision von lauter Augen, die aus ihren Höhlen gestochert und durch Glasaugen ersetzt werden. Puppenaugen. Ich wollte nicht darüber reden. Doch Lillemor fand kein Ende.
»Der männliche Blick ist entweder begehrlich oder unterdrückend«, sagte sie.
Woher hatte sie das alles bloß? Auch ging mir durch den Kopf, dass ich von vielen Enttäuschungen verschont geblieben war, hatte ich mich doch vor jener Sorte Männer gehütet, in die Lillemor sich verliebte. Die hatten mich im Übrigen auch nie beachtet. Allerdings kann sich auch einer, der lediglich
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