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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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Freundschaft und Genuss begehrt hat, als Unterdrücker entpuppen. So wie Herman, als er meine Geschichte an All Världens Berättare schickte.
    Ante ließ einen Dorfschmied eine Anhängerkupplung an mein Auto montieren, denn es war immer hilfreich, mit Anhänger fahren zu können, nachdem er nun keinen Traktor mehr hatte. Immerhin kam es nicht zum Konkurs, doch erhielt er einen Tilgungsplan. Und als dann keine Amtspersonen mehr kamen, holten wir die Schweine zurück. Außerdem war es ihm eine Hilfe, dass ich ihn nun für Kost und Logis bezahlte.
    Es regnete viel in jenem Sommer, und wir mussten die Abende oft im Haus verbringen. Lillemor kam angefahren, sobald ihr Unterricht zu Ende war, und da es keinen Fernseher gab, hatte sie die Idee, dass wir vorlesen könnten. Abends kamen die Waldweiber mit ihren Kindern in Antes Küche, wo im Holzherd eingeheizt war. Gierig lauschten sie dem langwierigen Prozess im Fall Jarndyce gegen Jarndyce, denn Lillemor hatte aus der Schulbibliothek Bleak House von Dickens mitgebracht. Es ist sein bester Roman, wirklich ein Meisterwerk, trotzdem war ich überrascht, dass alle zuhörten. Ante hatte Bretter auf Böcke gelegt und nahm darauf einen Motor auseinander. Er wollte versuchen, eine alte Harley Davidson wieder in Gang zu bringen. Logischer wäre es gewesen, den Motor in einem der vielen Schuppen auseinanderzubauen, doch auch Ante war wohl von den Verwicklungen des Romans fasziniert. Die Kinder waren mucksmäuschenstill, piepsten nur manchmal ein wenig, während sie auf dem Fußboden spielten. Antes Junge hatte bei seinem Auszug Spielsachen aus farbenfrohem Plastik zurückgelassen, einen Bagger, einen Zug, einen Hund auf Rädern, Autos und haufenweise Legosteine. Die Waldweiberkinder, die lange Zeit nur mit Fichtenzapfen und Stöckchen gespielt hatten, waren glücklich. Sie passten aber auch auf, was vorgelesen wurde, denn sobald der versoffene und durch und durch boshafte Krook zu krächzen anfing (Lillemor ließ mich seinen Part lesen), hörten sie aufmerksam zu. Sie waren von seiner widerlichen Katze fasziniert, und wenn die Sprache auf sie kam, merkten sogar die Hunde auf. Katze war schließlich ein Wort, das sie verstanden.
    Seltsamerweise brachte Lillemor nach einiger Zeit den Rektor von Solbacken mit in Antes Küche. Es verstand sich von selbst, dass man nicht über seine Besuche in diesem kleinkriminellen oder zumindest Steuern hinterziehenden Milieu schwatzen würde, wo Leute mit extremen Ansichten und Haltungen in Ruhe gelassen wurden, solange sie zu den Schweinen nicht böse waren. Sune Bengtsson war im Übrigen ein talentierter Vorleser, besonders in den Partien mit dem eiskalten Tulkinghorn, obwohl er selbst ein so freundlicher Mensch war.
    Der Regen lief über die Küchenfenster wie in früheren Zeiten über ein Metzgereifenster. Das Kartoffelkraut faulte, das Gras wurde zottig, und auf dem Dachboden, wo ich mein Arbeitszimmer hatte, tropfte es durch eine undichte Stelle im Dach in einen Eimer. Tagsüber wuchs langsam mein Kramforsroman, und Lillemor tippte die Seiten aus dem Spiralblock auf einer alten Olympia, die in der Volkshochschule ins Lager verbannt worden war, ins Reine und brachte sie mir zurück. Ich brauchte sie nicht weiter zu überreden, sie glitt in die Arbeit, als hätte es nie eine Unterbrechung gegeben. Dass sie versucht hatte, zu fliehen und mich daran zu hindern, ihre Adresse ausfindig zu machen, erwähnten wir beide nicht. Auch nicht, dass sie dunkel rothaarig und unkenntlich hatte sein wollen. Die Haare wuchsen sich allmählich aus, wurden aber erst mal karottenrot, und Lillemor war kreuzunglücklich und verbarg sie unter kleinen karierten oder getüpfelten Kopftüchern, die sie auch im Unterricht trug.
    Ich schrieb und kündigte in der Buchhandlung, denn jetzt wollte ich Lillemor nicht mehr loslassen. Sobald wir mit dem Buch fertig wären, würde ich nach Uppsala fahren und meine Wohnung an Studenten vermieten.
    Als wir in Bleak House ein Stück vorgedrungen waren, kamen wir zu der merkwürdigen Episode mit Miss Flites Vögeln. Lillemor war mit Vorlesen an der Reihe, und als sie die Namen all der Käfigvögel der verrückten alten Frau aufzählte, konnten wir beobachten, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. »Hoffnung, Freude, Jugend, Friede, Ruhe, Leben«, las sie, und bis dahin ging alles gut. Doch dann folgten «Staub, Asche, Verwüstung, Mangel, Untergang, Verzweiflung, Wahnsinn, Tod, List und Torheit«, und da weinte sie haltlos. Sie

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